Silvesternacht:Nach den Krawallen: 103 Festgenommene in Berlin wieder frei

Silvesternacht: Politiker fordern nach den Angriffen auf Rettungskräfte in der Silvesternacht Konsequenzen.

Politiker fordern nach den Angriffen auf Rettungskräfte in der Silvesternacht Konsequenzen.

(Foto: Julius-Christian Schreiner/dpa)

Etwa zwei Drittel der festgenommenen Verdächtigen sind wieder auf freiem Fuß. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann fordert harte Strafen für "Silvester-Chaoten", die Einsatzkräfte verletzten.

Nach der Feststellung ihrer Identität hat die Berliner Polizei mindestens 103 der insgesamt 159 festgenommenen Verdächtigen wieder freigelassen. Ob die übrigen Verdächtigen ebenfalls frei sind, kann die Polizei derzeit nicht sagen.

In der Nacht des Jahreswechsels waren Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen worden, unter anderem mit Böllern und Raketen. Die Polizei machte auf Nachfrage noch keine Angaben dazu, um wen es sich bei den mutmaßlichen Tätern handelt oder wo in der Stadt es zu den meisten Zwischenfällen kam. Die Auswertungen seien im Gange, noch habe man keine weiteren Erkenntnisse, sagte ein Sprecher. Am Sonntag hatte die Polizei nur mitgeteilt, dass unter den ersten 103 Festgenommenen 98 Männer und fünf Frauen waren.

Unklar ist auch noch, wie viele der 41 im Einsatz verletzten Polizisten zeitweise dienstunfähig waren. Der Sprecher sagte nur, ein Polizist, der schwere Brandverletzungen erlitten hatte, sei inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen.

Auch am Montag gab es einen Zwischenfall mit Feuerwerk in Berlin. Unbekannte haben in Berlin-Neukölln das Kamerateam eines Fernsehsenders mit Pyrotechnik angegriffen. Nach ersten Erkenntnissen befanden sich die beiden 20 und 28 Jahre alten Journalisten gegen 15.20 Uhr zu Dreharbeiten an einer Straßenkreuzung. Dabei seien sie von mehreren Jugendlichen gezielt mit pyrotechnischen Gegenständen beworfen worden, teilte die Berliner Polizei am Dienstag mit. Als alarmierte Polizeikräfte vor Ort eintrafen, flüchteten die Jugendlichen unerkannt. Die beiden Journalisten seien unverletzt geblieben. Die Polizei ermittele wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordert mit Blick auf die Angriffe harte Strafen. "Ein spürbarer Denkzettel und gegebenenfalls auch Freiheitsstrafen sind angebracht", so der Minister, der von "Silvester-Chaoten" sprach. Die 2017 von der großen Koalition beschlossene Gesetzesverschärfung sieht jedoch bereits bis zu fünf Jahre Gefängnis für den Angriff auf Polizisten und andere Einsatzkräfte vor.

Ein generelles Böllerverbot lehnte Herrmann im Gespräch mit Antenne Bayern und dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ab. Es würde auch diejenigen strafen, die umsichtig und verantwortungsvoll umgingen und wäre aus seiner Sicht nicht zielführend.

Städte hätten mit Verbotszonen gute Erfahrungen gemacht

"Ein generelles Feuerwerksverbot würde zudem nicht die Ursachen beseitigen, nämlich die Verrohung einiger weniger", betonte Herrmann und verwies auf die Möglichkeit von Kommunen, an bestimmten Orten Feuerwerksverbote auszusprechen. Der Deutsche Städtetag unterstrich die Wirksamkeit solcher Schritte. "Bislang haben die Städte, bereits lange vor Corona, gute Erfahrungen mit Feuerwerksverbotszonen gemacht", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Sie dienen dazu, Anwohner vor Lärm, historische Gebäude vor Bränden und Menschen auf Feiermeilen vor Verletzungen zu schützen."

Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, plädierte hingegen für ein Verkaufsverbot von Feuerwerk. "Ich finde es richtig, dass wir uns auch darüber unterhalten, welchen Stellenwert die Böllerei für uns gesellschaftlich hat und ob man den Verkauf einschränken sollte", sagte der SPD-Politiker der Welt. Ein entsprechendes Verbot müsse deutschlandweit gelten. Zudem sollte für den Erwerb von Schreckschusspistolen zumindest der Kleine Waffenschein nötig sein.

Der Bezirk Neukölln war einer der Schwerpunkte bei den Ausschreitungen in der Silvesternacht in der Hauptstadt. Es habe Szenen gegeben, die ihn an "bürgerkriegsähnliche Zustände" erinnert hätten, sagte Hikel. "In einzelnen Fällen wurden Rettungskräfte bewusst in einen Hinterhalt gelockt, um sie dort anzugreifen. Das ist ein hochkriminelles Verhalten."

FDP-Politiker fordert eine bessere Stadtplanung

Einen anderen Ansatz verfolgt FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Er fordert eine bessere Stadtplanung. "Wenn beispielsweise eine bessere Beleuchtung hergestellt wird, wenn eine bessere Durchmischung bestimmter Milieus erreicht wird, dann trägt das dazu bei, dass es weniger Gewaltbereitschaft in den Städten gibt", sagte er dem Deutschlandfunk.

Es gebe, so Kuhle, in bestimmten Bereichen der Gesellschaft seit Jahren eine gesteigerte Aggression gegenüber Polizei und Feuerwehr. "Das gilt bei Unfällen, das gilt bei bestimmten Großschadensereignissen, aber eben auch in Nächten wie der Silvesternacht", sagte Kuhle. Das sei eine gesamtgesellschaftliche Tendenz. "Man muss aber sagen, dass es natürlich gerade im großstädtischen Bereich auch eine Tendenz zur Ghettoisierung und Perspektivlosigkeit in bestimmten Bereichen gibt", so der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion. Das könne die Gewaltbereitschaft befördern.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusBerlin
:Was hab ich euch getan?

Dass die Silvesternacht in Berlin heftig wird, wussten alle, aber mit dem, was dann kam, hatte keiner gerechnet. Von Rettern, die nicht mehr wissen, warum sie sich das noch antun sollen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: