An einem wollte Berlins Innensenatorin dann doch keinen Zweifel lassen: „Ganz klar, die Polizei hat die Lage im Griff.“ Denn die Bilanz der Einsätze seit dem 7. Oktober 2023, die Iris Spranger, SPD, am Dienstag auf einer Pressekonferenz im Roten Rathaus präsentierte, hatte es in sich. An die 700 Veranstaltungen hätten in den vergangenen zwölf Monaten im Kontext des Nahost-Konflikts auf Berlins Straßen stattgefunden. Dabei sei es zu mehr als 5000 Strafanträgen gekommen. Beleidigung, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch, Körperverletzung, versuchte Gefangenenbefreiung, die Liste ist lang.
„Der 7. Oktober stellt einen gravierenden Einschnitt in die Sicherheitslage der Stadt dar“, erklärte Spranger. Besonders seien jüdische Einrichtungen betroffen, Restaurants, die beschmiert wurden, eine Schule, die mit einem Molotowcocktail attackiert wurde, dazu die ganz alltäglichen Drohungen, die Juden in Berlin zunehmend erleben müssten. Spranger: „Es ist unerträglich, und es ist absolut inakzeptabel.“
Vom Nasenbeinbruch bis zum Knalltrauma
Zugleich führten „die Nachrichten aus dem Kriegsgebiet zu hoher Emotionalität“ in der arabischstämmigen Community der Stadt und bei ihren Sympathisanten. „Wir nehmen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sehr ernst“, betonte Spranger. Doch eine Vielzahl der propalästinensisch titulierten Proteste werde genutzt, um Hass und Antisemitismus zu verbreiten. Dagegen werde die Polizei klar vorgehen.
So wie auch in den vergangenen Tagen. Am Sonntag- und am Montagabend sind zwei propalästinensische Demonstrationen eskaliert. Es kam zu Flaschenwürfen und Rangeleien zwischen Protestierenden und Beamten. Insgesamt 14 Polizisten seien dabei in den vergangenen Tagen verletzt worden, vom Nasenbeinbruch bis zum Knalltrauma. Auf einer Kundgebung am Montagabend am Südstern, auf der auch die schwedische Aktivistin Greta Thunberg anwesend war, kam es zu mehreren Festnahmen; vor allem, um Personalien festzustellen. Später randalierten noch ungefähr 50 Personen im Bezirk Neukölln; dabei wurden auch einzelne Autoreifen angezündet. Insgesamt seien weit über 200 Menschen über das Wochenende kurzzeitig festgenommen worden, sagte Jörg Dessin.
Über 160 jüdische Einrichtungen müssen geschützt werden
Der Leiter der Landespolizeidirektion beschrieb die Situation seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres als „Dauereinsatz“ für die Beamten. „Wir sind hochbelastet.“ Über 160 jüdische Einrichtungen würden seitdem teils durch den Wachschutz und teils durch die Polizei geschützt. Und nach einem etwas ruhigeren Sommer seien die propalästinensischen Versammlungen „in den letzten Wochen wieder etwas konfliktträchtiger“ gewesen. Der Krieg in Gaza sei inzwischen ein weiterer „Arbeitsschwerpunkt“ für die Berliner Polizei.
Innensenatorin Spranger betonte mehrfach, dass die „Mehrheit der Versammlungen friedlich lief“, auch die der propalästinensischen Sympathisanten. Der allergrößte Teil dieser Menschen nehme sein Recht auf Meinungsfreiheit gewaltfrei wahr und äußere seine Betroffenheit. „Es sind einzelne, es sind kleine Gruppen, die von Demonstration zu Demonstration ziehen, um das aufzuheizen.“ Dessin vermutet die Anzahl der „Rädelsführer“ im „hohen zweistelligen Bereich“. Darunter seien Aktivisten mit arabischstämmigem Hintergrund und aus der linksextremen Szene.
Der nächste Großeinsatz für Berlins Polizei fällt zumindest vorerst aus. Am Donnerstag wollte US-Präsident Joe Biden in die Stadt kommen. Doch er hat er seine Reise wegen des Hurrikans „Milton“ abgesagt.