Joe Chialo, 52, Musikmanager und Mitglied im Bundesvorstand der CDU, lässt selten eine Möglichkeit aus, sich zu Wort zu melden. Im Focus plädierte er im Meinungsbeitrag für ein gesellschaftliches Dienstjahr, in der Welt forderte er nach der Randale zum Jahreswechsel in Berlin "tough love" gegenüber den Tätern, "liebevolle Strenge". Auf seiner Webseite ist eine Serie von Videos zu finden - Chialo im Gespräch mit Wolfgang Schäuble oder mit Westbam, dem DJ. Doch derzeit: nicht eine Silbe von Chialo, die aus Gesprächen zitiert werden darf. Denn das Wort haben die Mitglieder der Berliner SPD.
Sie entscheiden in diesem Monat per Befragung darüber, ob die Hauptstadt demnächst von einer Koalition aus CDU und SPD regiert werden kann. Eine Chance, die die Christdemokraten nicht durch unnötige Publizität gefährden wollen. Sollten die Genossen dem Koalitionsvertrag wie zu erwarten zustimmen, hieße der nächste Regierende Bürgermeister Kai Wegner von der CDU. Und der Kultursenator Joe Chialo. Im Koalitionsvertrag findet sich die Kultur zwar eher unter "ferner liefen", mit wenigen Seiten im hinteren Drittel des Entwurfs. Darin auch das recht kleinteilige "Ziel, eine repräsentative Straße bzw. einen Platz nach Helmut Kohl zu benennen".
Tatsächlich aber handelt es sich um eine der wichtigsten Branchen der Stadt. Berlins Ruf als Weltmetropole rührt von Theatern, Museen, Clubs. "Die Schwerindustrie ist die Kultur", erklärte Chialo kürzlich im Gespräch beim RBB und fügte hinzu: "Man muss da schon reingehen mit Power, mit Lust und Leidenschaft, um halt eben kulturell die Kulturhauptstadt Deutschlands und eine der führenden Kulturhauptstädte nach vorne zu bringen." Nach dem kundigen und allseits beliebten Juristen Klaus Lederer von der Linken ist der Unternehmer Joe Chialo als Kultursenator eine Herausforderung für die Stadt.
Chialo wurde 1970 als Sohn einer Diplomatenfamilie aus Tansania in Bonn geboren. Er wuchs in einem Internat des Salesianer-Ordens Don Boscos bei Köln auf, auch heute ist er noch gläubiger Katholik. Er arbeitete als Türsteher in der Nürnberger Disco Mach1, ließ sich zum CNC-Fräser ausbilden und begann ein Politikstudium in Erlangen, das er schließlich abbrach. Eine kurze Gesangskarriere in einer Metal-Band brachte Chialo in die Musikbranche. 2002 ging er für den Konzern Universal nach Berlin, 2009 gründete er seine eigenen Firmen, um Musiker an den Markt zu bringen, darunter die Kelly Family, Santanio oder Alvaro Soler. Zugleich meint Chialo: "Ich feiere Rammstein hart." 2022 erschien seine Biografie unter dem Titel "Der Kampf geht weiter".
Nach einem kurzen Intermezzo bei den Grünen trat er 2016 wegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik in die CDU ein. Seitdem ist er dort immer wieder gefragt, wenn es um die sogenannte Kreativwirtschaft geht. Zuerst als Mitglied im "Zukunftsteam" des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, dann im Bundesvorstand der Partei und nun als designierter Kultursenator. "Die kulturellen und wirtschaftlichen Aspekte müssen noch besser miteinander verheiratet werden", beschreibt Chialo eines seiner wichtigsten Vorhaben in diesem Amt. Berlins Clubszene, die Gaming-Branche, Theater oder Museen wolle er zukünftig zusammendenken.
Das klingt noch ziemlich wolkig, aber erst einmal auch interessant. Etwas Unternehmertum muss der Berliner Kulturbranche nicht zwangsläufig schaden. Wie schnell man jedoch den Kredit bei den mächtigen Schaffenden der Hochkultur verspielen kann, das hat Tim Renner erfahren. Der war auch einmal Musikmanager, wurde 2014 für die SPD Kulturverantwortlicher in Berlin und wollte als Quereinsteiger vieles anders machen. Er blieb nur zwei Jahre im Amt. Chialo wird von dieser Erfahrung vermutlich gelernt haben: Die beiden kennen sich gut aus gemeinsamen Zeiten in der Musikbranche.