Berlin, das ist bekannt, will oft mehr, als es kann. Die lange Leidensgeschichte des Hauptstadtflughafens ist da nur ein Symbol, tatsächlich taugt die gesamte Berlinwerdung als Beispiel. Die Stadt wurde zwar immer lautstark als Marke postuliert, tatsächlich hat sie sich jedoch in den vergangenen Jahren eher zur Metropole durchgewurschtelt.
Die Politik des Senats aus SPD, Linken und Grünen bildet da keine Ausnahme: Die Linkskoalition hat jede Menge klingender Projekte angeschoben. Doch die Praxistests stehen noch aus. Aktueller Fall ist eine Studie über den Rassismus in der Polizei, die will der Bundesinnenminister von der CSU zwar nicht, die Koalitionäre in Berlin jetzt aber schon. Nur, es gibt kein Geld.
Berlin:Häuserkampf
Die linksautonome Szene liefert sich heftige Schlachten mit der Polizei um zwei Wohnprojekte. Im kommenden Jahr wird in Berlin ein neuer Senat gewählt und der Streit um die Häuser gehört zu den Dauerthemen der Regierungskoalition.
Am Wollen fehlte es dem rot-rot-grünen Senat noch nie. "Berlin gemeinsam gestalten. Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen", so lautet die Überschrift über dem Vertrag des Bündnisses, das nun bald vier Jahre regiert. Seitdem ist einiges geschehen - vor allem auf dem Papier. Es gibt den Mietendeckel, der verhindern soll, dass der Preis fürs Wohnen weiterhin derart kräftig steigt. Es gibt ein Mobilitätsgesetz, das die Verkehrswende weg vom Auto beschreibt. Mit dem Antidiskriminierungsgesetz existiert nun auch eine amtliche Handhabe gegen Rassismus, ausgeübt durch staatliche Stellen in der Stadt.
Theoretisch gut, praktisch fragwürdig
Und es gibt seit neun Monaten die Ankündigung, dass die Polizei offiziell nicht mehr "der Polizeipräsident in Berlin" sondern geschlechterneutral "Polizei Berlin" heißen soll. "Es ist noch nichts entschieden, das läuft noch", heißt es dazu bei der Polizei. Nur eine Kleinigkeit - dennoch.
"In der Theorie gut", sagt man gerne, wenn etwas praktisch fragwürdig ist. Das gilt leider für viele der Vorhaben des Senats. So ist Berlin zwar die erste und bisher einzige Stadt, die den Mietendeckel eingeführt hat, ein Jahr ist das jetzt her. Tatsächlich sind die Wohnpreise auch leicht gesunken, dafür gibt es seitdem immer weniger zu mieten. Ein Grund dafür ist, dass die Eigentümer ihre Wohnungen wegen des Deckels lieber gleich verkaufen - da steigen die Preise weiter. Zudem läuft eine Klage beim Verfassungsgericht in Karlsruhe gegen das Gesetz.
Ähnlich vertrackt ist die Lage bei der Verkehrswende. Durch die Corona-Pandemie sind in den vergangenen Wochen zwar einige Kilometer sogenannter Pop-up-Radwege entstanden. Doch die verdecken nur, dass das Mobilitätsgesetz kaum in der versprochenen Zeit umgesetzt werden kann: Bis 2030 soll die Stadt über ein vollständiges Netz aus sicheren Radwegen verfügen, dafür müssten pro Jahr 300 Kilometer gebaut werden. In den vergangenen drei Jahren waren es kaum mehr als 100.
Nächstes Jahr steht die Senatswahl an
Wie sehr das Wollen teils die Politik in Berlin bestimmt, zeigte auch die Posse um den neuen Namen für den U-Bahnhof Mohrenstraße. Unter dem Eindruck der Proteste gegen Rassismus preschten die Berliner Verkehrsbetriebe vor. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen war genauso begeistert wie die designierte SPD-Chefin Franziska Giffey. Dann stellte sich heraus, dass der neue Namensgeber für die U-Bahnstation ein Antisemit war. Das Projekt Umbenennung könne noch Jahre dauern, heißt es nun.
Diese Zeit hat Rot-Rot-Grün nicht. Voraussichtlich im September kommenden Jahres soll in Berlin ein neuer Senat gewählt werden. Bis dahin könnte sich die Koalition darauf konzentrieren, die begonnenen Projekte, soweit möglich, zu Ende zu bringen. Das wäre auch in der Praxis gut.