Covid-19:Berliner Klinik unter Quarantäne

Berlin Reinickendorf, Vivantes Humboldt Klinikum Am Nordgraben Berlin *** Berlin Reinickendorf, Vivantes Humboldt Clinic

Das Humboldt-Klinikum in Berlin-Reinickendorf ist für Besucher gesperrt. Mitarbeitern wurde Pendel-Quarantäne auferlegt.

(Foto: imago images/Jürgen Ritter)

Nach mehreren Infektionen mit der Corona-Mutante B.1.1.7. hat die Gesundheitsverwaltung das Humboldt-Klinikum geschlossen. Zahlen aus Großbritannien lassen befürchten, dass die neue Variante nicht nur ansteckender, sondern auch tödlicher sein könnte.

Von Verena Mayer und Marlene Weiß

Das Humboldt-Klinikum gehört zu den größten Krankenhäusern im Norden Berlins und ist eine wichtige Anlaufstelle für alle Akutfälle, die in der Gegend passieren. Doch wer sich dieser Tage verletzt, einen Herzinfarkt erleidet oder Wehen bekommt, wird hier nicht aufgenommen, die Rettungsstelle ist seit Freitagnacht geschlossen. Grund ist die Corona-Mutante B.1.1.7. 20 Menschen im Krankenhaus haben sich offiziellen Angaben damit angesteckt, 14 Patienten und sechs Angestellte.

Wie das Virus ins Krankenhaus gekommen ist, ist noch nicht klar, ebenso wenig, ob sich noch weitere Menschen infiziert oder das Virus in ihrem Umfeld weitergetragen haben. Fest steht jedoch, dass die Fälle auf einer Station für Innere Medizin und Kardiologie nachgewiesen wurden, man hat sie bei einem Routine-Screening bei bereits positiv getesteten Patienten entdeckt. Von den Getesteten war niemand in Großbritannien gewesen, wo die Virusvariante Ende 2020 zuerst festgestellt worden war. Einige Betroffene sind zudem Pflegebedürftige, die nicht wegen Covid-19 in der Klinik waren. Es wird vermutet, dass sie sich innerhalb der Klinik angesteckt haben.

Das Gesundheitsamt kann das Ausmaß des Ausbruchs bisher nicht überblicken

Damit dürfte sich bestätigen, was man schon länger befürchtet hat: dass die Sars-CoV-2-Mutation stärker verbreitet ist als gedacht. Die Berliner Gesundheitsbehörden haben nun die Notbremse gezogen. Der Krankenhausbetrieb wurde heruntergefahren, das Humboldt-Klinikum unter Quarantäne gestellt. Das zuständige Gesundheitsamt ist nun dabei, zusammen mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) den Ausbruch nachzuverfolgen, "der dort ein Ausmaß angenommen hat, das wir im Moment schlecht überblicken können", wie der zuständige Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid dem Sender RBB sagte.

Konkret heißt das, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses, das zum landeseigenen Vivantes-Konzern gehört, unter sogenannter Pendel-Quarantäne stehen. Sie dürfen zur Arbeit und wieder zurück fahren, müssen aber sonst die Quarantäneregeln einhalten und werden demnächst möglicherweise in eigenen Shuttles ins Krankenhaus gebracht. Lieferanten und Handwerker bekommen keinen Zutritt zur Klinik, der Konzern teilte zudem mit, dass bis auf Weiteres keine Leasingkräfte mehr eingesetzt werden, also Mitarbeiter, die nicht am Krankenhaus angestellt sind, sondern über Zeitarbeitsfirmen kommen.

Wer Angehörige sehen will, die auf einer der Stationen liegen, findet sich an diesem Wochenende vor einem weißen Schild wieder, auf dem mit roter Schrift steht: "Ab sofort empfangen wir keine Besucher*innen mehr im Krankenhaus." Nur Angehörige von Sterbenden dürfen noch das Krankenhaus betreten.

Es geht um den Schutz der gesamten Hauptstadt

Wie der Berliner Tagesspiegel berichtet, haben sich Verantwortliche aus den zuständigen Behörden mit der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) bei einer Krisenschaltkonferenz auf die Abriegelung geeinigt, auch wenn diese von vielen als schmerzhafter Einschnitt in die Gesundheitsversorgung der Hauptstadt gesehen wird. Der Schritt sei nötig, es gehe nicht nur um Schutz der Patienten und des Personals, sondern um den Schutz der gesamten Hauptstadt. Es müsse alles getan werden, damit der Ausbruch der Corona-Variante "nicht explodiert". Dazu gehört auch, dass weiter getestet wird, bei 1500 Mitarbeitern und 400 Patienten sollen Abstriche gemacht werden.

Die Nervosität ist verständlich in Anbetracht der Tatsache, dass sich die neue Variante B.1.1.7 offenbar erheblich leichter verbreitet als der ursprüngliche Virustyp. Erste, noch vorläufige Analysen aus Großbritannien deuten nun obendrein darauf hin, dass die Mutante auch etwas tödlicher sein könnte. Am Freitag hatte der britische Premier Boris Johnson von ersten Ergebnissen des Regierungsberater-Gremiums Nervtag berichtet. Demnach könnte der Anteil der Infizierten, die an der Krankheit sterben, bei der neuen Variante um 30 bis 40 Prozent höher liegen.

Ist die Variante tödlicher? Um das zu beurteilen, fehlen Daten

Allerdings sind die Zahlen auch wegen der schlechten Datenbasis noch sehr vorläufig, die Spannbreite der Schätzungen der London School of Hygiene and Tropical Medicine, des Imperial College, der University of Exeter und der Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) reicht von fast unveränderter Todesrate bis zu rund doppelt so vielen Todesfällen. Hinzu kommt, dass die Infektionssterblichkeit bei Covid-19 zwar deutlich höher als etwa bei der Grippe ist, aber mit geschätzt rund 0,7 Prozent über alle Bevölkerungsgruppen hinweg noch immer viel niedriger als bei manchen anderen Viren. Sollten sich die britischen Zahlen bestätigen, würden also von 1000 Infizierten statt rund sieben ungefähr neun bis zehn an der Krankheit sterben.

"Wir brauchen mehr Daten, bevor wir zu viele Schlüsse ziehen", sagte David Strain von der University of Exeter. Beunruhigend sei jedoch, dass laut den bislang vorliegenden Zahlen die Sterblichkeit unter Patienten im Krankenhaus für beide Virustypen gleich ist - der höhere Anteil an Todesfällen könnte also dadurch zustande kommen, dass Patienten mit der neuen Variante häufiger im Krankenhaus behandelt werden müssen. Der Nervtag-Bericht betont allerdings, dass sich dies momentan aufgrund mangelnder Daten nicht belegen lasse.

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