Berlin:Giffeys heikle Mission

Landesparteitag der SPD Berlin

"Wenn ihr es wollt, dann bin ich auch bereit": Franziska Giffey.

(Foto: Christophe Gateau/dpa)

Die Bundesministerin wird mit großer Mehrheit zur SPD-Landesvorsitzenden gewählt - aber kann sie wirklich bei der Wahl als Spitzenkandidatin antreten?

Von Jan Heidtmann, Berlin

Fast 24 Stunden hielt die Harmonie, dann wurde die erste Bruchlinie sichtbar. Am Samstagnachmittag suchte die frisch gewählte Co-Landesvorsitzende Franziska Giffey die Auseinandersetzung mit der mächtigen Partei-Linken der Berliner SPD. "Wir haben hier Clan-Kriminalität in der Stadt, die macht den Leuten das Leben schwer", sagte sie auf dem digitalen Landesparteitag. "Wir müssen das klar benennen." Es war eine direkte Attacke gegen die SPD-Linke. "Den Begriff Clan-Kriminalität lehnen wir ab. Dieser ist für uns rassistisch konnotiert", sagte der Landesvorsitzende der Jusos, Peter Maaß.

Giffey setzte sich am Ende durch, ein entsprechender Antrag wurde kassiert. Doch der Streit gibt eine Vorahnung auf die Kämpfe, die zwischen der in ihrer Partei eher rechts angesiedelten Giffey und dem linken Berliner Landesverband anstehen. Es war der Endpunkt eines Parteitages, dessen Geist sich ansonsten am besten so zusammenfassen lässt: Jetzt erst recht!

Lediglich 15 Prozent der Stimmen würde die Berliner SPD laut Umfragen derzeit bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus bekommen. Das ist so viel wie die Linke und sehr viel weniger als die Grünen oder die CDU. "Das Rote Rathaus muss rot bleiben", kündigten die neuen Vorsitzenden, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, 42, und der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh, 43, an. "Wir schlagen ein neues Kapitel auf in der Geschichte der Berliner SPD", versprach Giffey. Zugleich erklärte sie sich bereit, bei den Wahlen im Herbst anzutreten: "Wenn ihr es wollt, dann bin ich auch bereit, eure Spitzenkandidatin zu sein für das nächste Jahr." Jetzt erst recht.

Ist der Doktortitel weg, wird es kompliziert

Denn die gut gedachte Choreographie zum Machterhalt ist durch den unklaren Status des Doktortitels von Giffey gestört worden. Die Freie Universität hat unlängst angekündigt, die Arbeit erneut zu prüfen. Giffey erwiderte daraufhin zwar, den Titel nicht mehr zu führen, trotzdem ist eine mögliche Aberkennung mitten im Wahlkampf ein Menetekel für die Partei. Die Bürgermeisterkandidatin Giffey müsste dann vermutlich als Bundesministerin Giffey zurücktreten. Diese komplizierte Konstellation war das Thema, das diesen Parteitag beherrschte und das doch niemand öffentlich ansprach.

Stattdessen wählten die fast 280 Delegierten ihre erste Doppelspitze mit einem unerwartet hohen Ergebnis. Raed Saleh erhielt am Freitagabend fast 69 Prozent der Stimmen, Franziska Giffey gar knapp 90 Prozent. Ihre Bewerbungsrede hatte sie zuvor frei gehalten und sich dabei neben das Rednerpult gestellt. Giffey verwies immer wieder auf ihre Zeit als Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln, aber auch als Bundesministerin.

"Ich gehe den Weg dennoch vom Bund zurück ins Land. Das ist meine klare Entscheidung", sagte sie. Ohne einen direkten Bezug auf die Kalamitäten rund um ihre Doktorarbeit zu nehmen, fügte sie hinzu: "Ihr könnt euch auf uns verlassen. Wir sind da. Ich bin da."

Um wieder stärkste politische Kraft in Berlin zu werden, müssten die früheren SPD-Wähler zurückgewonnen werden, betonte Raed Saleh. Unter den Arbeitern, bei der Polizei oder bei Sozialarbeitern. "Wir wollen auch die Kneipen zurückholen für die Sozialdemokratie", sagte Saleh, der sich außerdem bei den Migranten in Berlin entschuldigte. Viele hätten früher sozialdemokratisch gewählt, sich dann aber vom ehemaligen SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin und seinen teils rassistischen Äußerungen abgestoßen gefühlt.

Das Jetzt-erst-recht-Gefühl dieses Parteitages reichte bis zur Formatfrage. Denn eigentlich hatte der Parteitag bereits im Mai zusammenkommen sollen, wegen der Corona-Pandemie musste er jedoch zweimal verschoben werden. An diesem Wochenende fand er nun hybrid statt: Reden und Debatten konnten im Livestream verfolgt werden, gewählt werden musste aus rechtlichen Gründen aber vor Ort. Die SPD versuchte auch aus dieser Not eine Tugend zu machen und nannte das Ganze "Berliner Format".

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