Berlin: Gewalt am 1. Mai:Polizisten gegen Polizisten

Der 1. Mai in Berlin verlief dieses Jahr weitgehend friedlich - allerdings soll es zwischen Polizisten zu Gewalt gekommen sein. Beamte in Zivil wurden von uniformierten Kollegen angegriffen - und haben Strafanzeige gestellt.

Thorsten Denkler

Was ist nur aus dem 1. Mai in Berlin geworden? In den frühen neunziger Jahren verbarrikadierten Geschäftsleute rund um das Kottbusser Tor und den Mariannenplatz in Kreuzberg ihre Läden aus Angst vor den Pflastersteinen der Autonomen. Pkw-Besitzer parkten ihre Wagen um, um sie vor Molotowcocktails zu schützen. Und bei Einbruch der Dunkelheit: Randale auf breiter Front. Regelmäßig kam es zu Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten.

Revolutionaere-1.Mai-Demonstration in Berlin

Sollten einen friedlichen Ablauf der Veranstaltungen sicherstellen: Polizisten in Berlin am 1. Mai.

(Foto: dapd)

Das ist längst vorbei. Und das ist natürlich gut so. Am 1. Mai ist es in Kreuzberg inzwischen bis auf wenige Hakeleien so friedlich wie sonst am zweiten Weihnachtsfeiertag - auch in diesem Jahr. Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bescheinigte der Polizei deshalb einen professionellen Einsatz.

Wie sich im Lauf der Woche jedoch herausstellte, verhielten sich einige Beamte alles andere als "professionell". Mittlerweile liegen drei Anzeigen gegen Polizisten vor - wegen Körperverletzung im Dienst. Solche Anzeigen sind an sich nichts Ungewöhnliches.

Nur stammen die Anzeigen diesmal von Polizeibeamten.

Es sind drei Berliner Polizisten, die in Zivil das Treiben am 1. Mai in Kreuzberg beobachtet hatten. Ein Beamter des Landeskriminalamtes gab an, gegen Ende der "Revolutionären 1.-Mai-Demonstration" am Hermannplatz von einem Polizisten mit einem Faustschlag verletzt worden zu sein. Die Prellungen mussten ambulant behandelt werden.

Zwei weitere Zivilpolizisten erstatteten Anzeige, weil sie mit Pfefferspray attackiert worden seien. Sie hielten sich am Kottbusser Tor auf, wo sich am Abend des 1. Mai gut 1000 Menschen versammelt hatten. Friedlich, wie Augenzeugen berichten.

Offenbar um zu verhindern, dass aus den 1000 Personen keine randalierende Masse würde, durchstreiften kleine Trupps von Bereitschaftspolizisten der Bundespolizei immer wieder die Ansammlung. Auf einem Video ist zu sehen, dass die Beamten dabei wahllos um sich schubsten und in einer Szene ohne erkennbaren Grund auch Pfefferspray versprühten.

Auffällig viele Pfefferspray-Opfer

Pfefferspray darf nach Berliner Gesetz nur eingesetzt werden, wenn andere Mittel nicht mehr funktionieren, und: nur nach mehrmaliger Ankündigung. Beide Regeln sollen, so berichten es Augenzeugen, nicht eingehalten worden sein.

Proteste gegen NPD-Demonstration

Erst kürzlich, bei Protesten gegen eine NPD-Demonstration in Berlin, hatte ein Polizist (re.) im Anschluss an Rangeleien sein Pfefferspray auf einen Kollegen in Zivil gerichtet, den er nicht als Zivilpolizisten erkannte.

(Foto: dapd)

Sanitäter vor Ort sprechen von mehr als 200 Personen, denen die Augen ausgespült werden mussten. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele hatte sich darüber gewundert: "Ich fand auffällig, wie viele Menschen da von Sanitätern behandelt werden mussten", sagte er. Er bezeichnete es außerdem als "beachtlich" dass angeblich viele ältere Menschen unter den Verletzten gewesen sein sollen und nicht nur "typisches Demo-Volk".

Eine offizielle Bestätigung für die Verletzten-Zahl gibt es nicht. Dass offenkundig fünf Polizisten Opfer der Pfefferspray-Attacken wurden, lässt zumindest Zweifel aufkommen, ob die Einsatzregeln für das Reizgas eingehalten wurden.

Der Berliner Polizeipräsident Dieter Gliesch hatte bereits am Montag den Gebrauch von Pfefferspray bestätigt. Das sei jedoch lediglich nach eindeutigen Angriffen auf Beamte eingesetzt worden. Wie dann auch Kollegen durch das Reizgas verletzt werden konnten, ist jetzt Gegenstand von Ermittlungen.

Allerdings dürfte es schwer werden, die Polizisten zu identifizieren, die ihre Kollegen verletzt haben. Unter ihren schweren Schutzanzügen und Helmen sind sie kaum zu erkennen. Anhand von Kennzeichnungen an den Anzügen kann höchstens auf eine Einsatzgruppe geschlossen werden. Zumindest die Berliner Bereitschaftspolizisten sollen zwar von Sommer an individuelle Nummern oder Namensschilder tragen. Helfen würde das in diesen Fall nicht. Am Kottbusser Tor waren vor allem Bundespolizisten im Einsatz.

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