Berlin:In der Friedrichstraße dürfen wieder Autos fahren

Lesezeit: 2 Min.

Bald wieder freie Fahrt für Autos in der Berliner Friedrichstraße. (Foto: Dirk Sattler/IMAGO)

Seit Jahren streitet die Politik in Berlin um 500 Meter Asphalt und die Frage, ob darauf Autos rollen dürfen oder nicht. Jetzt hat der neue CDU/SPD-Senat eine Entscheidung von Rot-Rot-Grün wieder rückgängig gemacht.

Von Oliver Klasen

Es geht um gerade einmal 500 Meter Asphalt und die Frage, ob darauf Autos fahren dürfen oder nicht. Seit Jahren wird in Berlin über die Friedrichstraße gestritten oder genauer: über einen Teil der Friedrichstraße, jenen Abschnitt zwischen der Kreuzung mit der Französischen Straße und der Leipziger Straße. Über diesen Abschnitt dürfen von Juli an wieder Fahrzeuge rollen, nachdem das fünf Monate lang verboten war. So will es die Verkehrsverwaltung in der Stadt, die seit Kurzem CDU-geführt ist, nachdem sie jahrelang in den Händen der Grünen war.

Der Streit um die Autos in der Friedrichstraße steht symbolisch für zwei sich, man muss fast sagen, feindlich gegenüberstehende Lager in der Verkehrspolitik. Und es ist ein Streit, der lächerlich wirkt, angesichts dessen, was da wirklich entschieden wurde.

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Noch mal kurz zur Erinnerung: Der frühere rot-rot-grüne Senat hatte die 500 Meter Friedrichstraße sperren lassen. Erstmals im August 2020, während der Corona-Krise also. Damals war ein sogenannter Pop-up-Radweg entstanden, der Senat hatte ihn mit gelber Baustellen-Signalfarbe auf den Asphalt markiert. Außerdem wurden auf der Straßenfläche ein paar in Holz eingefasste Kästen aufgestellt, in denen junge Bäume wuchsen. Und für die Radfahrer Tempo-20-Schilder angebracht. Auf dass sich zwischen diesen und den Fußgängern, die die Asphaltfläche ebenfalls benutzen durften, eine friedliche Koexistenz einstellen würde.

Die Autofahrer-Fraktion, jedenfalls ihre Fürsprecher in der Presse und in sozialen Medien, reagierte entsetzt. Von der Selbstprovinzialisierung Berlins war die Rede und von weltfremden Bullerbü-Träumen der Grünen, die alle Autos aus der Stadt drängen wollten. Auch das Bündnis "Rettet die Friedrichstraße!", dem Gewerbetreibende und Anwohner angehören, hatte die Sperrung scharf kritisiert.

Dann kam eine Gerichtsentscheidung: Der Pop-up-Radweg sei lediglich als Verkehrsversuch zulässig. Für eine dauerhafte Verkehrsberuhigung der Friedrichstraße gebe es keine Rechtsgrundlage. Also musste der Abschnitt im November 2022 wieder freigegeben werden. Aber das hielt nicht lange. Auf Betreiben der damaligen Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) wurde das Teilstück zum 30. Januar dieses Jahres erneut gesperrt. Zuvor hatte das Bezirksamt Mitte die Umwidmung der Straße zur Fußgängerzone angeordnet.

Diesen Schritt macht nun der neue CDU/SPD-Senat wieder rückgängig. Hintergrund der Entscheidung seien Einsprüche von Anliegern gewesen, heißt es. Diese seien zum Teil mit einem gerichtlichen Eilverfahren verbunden. Man wolle den Beschwerdeführern ein Moratorium anbieten und die Angelegenheit im Herbst mit allen Beteiligten erneut beraten. Die Voraussetzung für den sofortigen Vollzug der Teileinziehung - so heißt die Umwandlung der Friedrichstraßen-Abschnitts in eine Fußgängerzone juristisch korrekt ausgedrückt, seien nicht gegeben.

Das Ziel sei ein "städtebauliches und verkehrliches Gesamtkonzept" für die historische Mitte Berlins in dem Friedrichstraße, das Umfeld des Gendarmenmarktes und der Checkpoint Charlie, zusammen gedacht werden müssten. Man werde sowohl die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner, als auch der Gewerbetreibenden berücksichtigen. "Für diesen wichtigen Ort in der historischen Mitte unserer Stadt werden wir deshalb nichts einfach nur vorgeben, sondern eine nachhaltig funktionierende Lösung gemeinsam mit den Betroffenen entwickeln", sagte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). Ein Satz, der alles und nichts heißen kann.

Für die Grünen war die Sperrung der Friedrichstraße ein Beispiel für eine ökologische Verkehrswende, weg vom Auto und für eine gerechtere Aufteilung des öffentlichen Raums. Gleichzeitig verfolgten die Befürworter das Ziel, die Friedrichstraße wirtschaftlich wiederzubeleben. Dass das nötig wäre, bestreiten auch die Kritiker der Fußgängerzone nicht. Einige Geschäfte mussten während der Pandemie schließen. Die Straße lädt kaum zum Bummeln ein, sie wird dominiert von gesichtslosen Kettenläden und selbst das Luxus-Kaufhaus Galerie Lafayette funktioniert nicht so richtig als Zugpferd. Allerdings haben auch die wenigen Sitzgelegenheiten, die Senatorin Jarasch aufstellen ließ, die Attraktivität der Straße kaum gesteigert.

Von der neuen CDU-Senatorin heißt es nun, es bestehe keine Dringlichkeit, was die Gestaltung der Friedrichstraße anbelange. Gut möglich also, dass der Streit über 500 Meter Asphalt noch einige Zeit weitergeht.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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