Berlin:Frau sei dank

Mit nur neun Feiertagen waren die Berliner gegenüber Einwohnern anderer Bundesländer benachteiligt. Nun sollen sie einen zehnten Tag dazu bekommen.

Von Max Ferstl, Berlin

Seit Monaten ist die Stelle offen, sie verspricht wenig Arbeit und großes Ansehen. Doch noch immer ist nicht ganz sicher, wann und wie sie besetzt wird. Der Bewerber muss über historische, möglichst auch gesellschaftliche Bedeutung verfügen, und 3,7 Millionen Berliner sollen sich mit ihm identifizieren können. So ungefähr lautet die Ausschreibung für den neu geschaffenen Berliner Feiertag.

Die Hauptstadt hat aktuell nur neun gesetzliche Feiertage, weniger als jedes andere Bundesland. Viele Berliner und die regierende rot-rot-grüne Koalition finden, dass es da Aufholbedarf gibt. Deshalb läuft seit Monaten ein kompliziertes Casting, das zwar zahlreiche Kandidaten hervorgebracht hat, aber erst jetzt einen klaren Favoriten: den 8. März. Weltfrauentag.

Am vergangenen Wochenende einigte sich die SPD auf dem Landesparteitag. "Einstimmig", jubelte Iris Spranger. Die stellvertretende Landesvorsitzende hatte in den vergangenen Monaten vehement für den 8. März geworben. Ihre Onlinepetition haben schon mehr als 28 500 Menschen unterschrieben. "Der Tag ist ein Symbol, wie weit wir bei der Gleichstellung gekommen sind", findet Spranger. Und eine Erinnerung, dass diese noch nicht erreicht ist, dass Frauen zum Beispiel noch immer weniger verdienen als Männer und seltener Führungspositionen besetzen.

Rückenwind erhielt Spranger überraschend von den Linken. Die Partei wollte eigentlich den 8. Mai befördern, den Tag der Befreiung, der das Ende des Zweiten Weltkriegs markiert. Dann schwenkte sie plötzlich um auf den 8. März. Um "diese Diskussion nicht endlos" fortzuführen, hieß es. Die Berliner sollen nicht noch länger auf ihren Feiertag warten müssen.

Feiern, dass man frei hat. Die grüne Fraktionsvorsitzende findet, das reicht nicht als Anlass

Am Mittwoch sprach sich dann auch die Fraktion der Grünen für den Frauentag aus. An diesem Samstag soll ein Parteitag das Ergebnis bestätigen. Dass die Delegierten zustimmen, gilt als ziemlich wahrscheinlich. Die Koalition möchte zügig einen entsprechenden Antrag ins Parlament einbringen. Im Idealfall könnte der 8. März schon 2019 zum gesetzlichen Feiertag erhoben werden, zum ersten Mal in einem deutschen Bundesland.

So schnell nun der Feiertag kommen soll, so zäh verlief die Debatte, deren Qualität manche als fruchtbar, andere als furchtbar empfunden haben. Fest steht, dass es an Vorschlägen nicht mangelte. Ein keineswegs vollständiger Überblick: Bürgermeister Michael Müller (SPD) favorisierte anfangs den 18. März, als Symbol der Märzrevolution 1848. In seiner Partei kursierten neben dem Frauentag der 8. Mai (Kriegsende) und der 9. Mai (Europatag). Der 31. Oktober (Reformationstag), wie im benachbarten Brandenburg, hätte der Evangelischen Kirche und den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg gefallen.

Die Linke hatte sich früh auf den 8. Mai festgelegt. Die Grünen wiederum wollten die Berliner Bürger befragen. Und die CDU hegt eine Vorliebe für einen flexiblen Feiertag, wechselnd je nach Jahr und Anlass. Ein Vorschlag, der die Schwierigkeit der Suche recht schön veranschaulicht. Zwar gibt es viele Kandidaten, die zum Feiertag taugen. Aber eine unumstrittene Idealbesetzung, die gibt es nicht.

"Normalerweise hat man einen Anlass und macht daraus einen Feiertag", sagt Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende der Grünen. In Berlin sei es umgekehrt: Man will einen Feiertag, hat aber keinen Anlass. Kapek macht aus ihrer Skepsis keinen Hehl. Ein Feiertag, findet sie, sollte mehr sein als ein Tag, an dem die Menschen vor allem feiern, dass sie frei haben.

Doch der Feiertag wird kommen. Erst recht, weil Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein mit der Beförderung des Reformationstags vorgelegt haben. Dadurch ist der Druck gestiegen. Die Grünen-Spitze will am Samstag die Delegierten per Dringlichkeitsantrag über den 8. März abstimmen lassen. Noch am Wochenende hatte Kapek davon gesprochen, dass die Berliner miteinscheiden müssten. Weil es ja deren Tag werden sollte.

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