Berlin:Ein paar Konflikte bleiben

Berlin: Haben am Sonntag das dritte Entlastungspaket präsentiert: Bundeskanzler Olaf Scholz (vorne) sowie Grünen-Co-Vorsitzender Omid Nouripour, FDP-Chef Christian Lindner und SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken (hinten von links).

Haben am Sonntag das dritte Entlastungspaket präsentiert: Bundeskanzler Olaf Scholz (vorne) sowie Grünen-Co-Vorsitzender Omid Nouripour, FDP-Chef Christian Lindner und SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken (hinten von links).

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Ampelparteien loben sich für das neue Entlastungspaket - offen sind jedoch die Themen Gaspreisbremse und Nahverkehrsticket.

Von Constanze von Bullion und Mike Szymanski, Berlin

Es darf jetzt also nahtlos weitergestritten werden in Berlin. Im Bundestag beginnt die Haushaltswoche. Auch die Auseinandersetzung um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke nimmt Fahrt auf. Außerdem ist die Debatte über das Entlastungspaket in die nächste Runde gegangen. Vor allem aus Union und Linkspartei kam Kritik an den geplanten Maßnahmen der Bundesregierung, die Privathaushalte bei steigenden Energiekosten entlasten und Energieunternehmen in die Pflicht nehmen sollen.

SPD-Parteichefin Saskia Esken hat das Verhandlungsergebnis am Montag noch einmal gelobt. Bürgerinnen und Bürger "könnten sehr zufrieden" mit dem Paket sein. Es sei komplex und werde teuer, sei aber auch notwendig, um die Menschen durch die nächsten Monate zu bringen.

Es ist vor allem die schiere Dimension, ein Volumen von 65 Milliarden Euro, die dem Paket Gewicht verleiht. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich schrieb an die Abgeordneten seiner Partei in einem Brief, der der SZ vorliegt: "Wir werden nicht jede Belastung zu 100 Prozent ausgleichen können. Aber wir räumen eine Menge Probleme weg."

Die SPD konnte ihre Forderungen durchsetzen, dass die sozialen Sicherungssysteme gestärkt werden. Der Kreis der Wohngeldberechtigten soll von 700 000 auf zwei Millionen steigen. Auch Rentner und Rentnerinnen sowie Studierende bekommen jetzt Einmalzahlungen, um mit steigenden Energiepreisen fertigzuwerden. Damit korrigiert die Regierung einen Fehler aus dem vorangegangenen Paket, unter dem die SPD besonders gelitten hatte.

Die Verabredungen zur Strompreisbremse bleiben in den Details noch vage, weil die Bundesregierung eine europäische Lösung bevorzugt - notfalls will man aber auch national handeln. Der Grundbedarf beim Strom soll vergünstigt werden. Zur Gegenfinanzierung sollen Zufallsgewinne bei Energieunternehmen mit extrem hohen, nur krisenbedingten Profiten abgeschöpft werden. Dass Deutschland für dieses Verfahren zunächst europaweit wirbt, könnte allerdings Zeit kosten. Auch die Verhandlungen des Bundes mit den Ländern über die Nachfolge des Neun-Euro-Tickets dürften zäh werden. "Bei vielen Maßnahmen sind wir jetzt angewiesen, schnell in die Umsetzung zu kommen", mahnte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann.

Die Gaspreisbremse, die die Koalition erwogen hatte, kommt zunächst nicht. Zu kompliziert, hieß es, weshalb nun lediglich eine "Expertenkommission" Vorschläge erarbeiten soll. Hier hatte sich die SPD eigentlich mehr versprochen, musste sich jedoch Bedenken aus den zuständigen Ministerien beugen.

Gegen den Willen der Grünen haben FDP und SPD die für den 1. Januar 2023 anstehende Erhöhung des CO₂-Preises um ein Jahr verschoben. Das war eines der Konfliktthemen, wie aus Verhandlungskreisen verlautete. Am Montag sagte Esken, es wäre auch ein "fatales Signal", wenn der Staat in dieser Lage dazu beitrage, die Preise zu steigern. Die Grünen sahen das selbstredend anders. Man gestalte die Zeitenwende "nachhaltig und sozial", sagte Fraktionschefin Haßelmann. Klimaschutz habe "hohe Priorität". Sie verwies auf 1,5 Milliarden Euro für Schienenausbau, verbilligte Bahntickets und einen neuen Klimafaktor beim Wohngeld. Der Klimafonds mit 200 Milliarden für die ökologische Transformation bleibe trotz des Entlastungspakets unangetastet.

Aus der CDU kam Kritik. Das Paket werde der Krise nicht gerecht, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Eine Entlastung von Normalverdienern der gesellschaftlichen Mitte sei nicht erreicht worden, auch nicht für mittelständische Betriebe. Die Linke sprach von Stückwerk. Nötig seien kontinuierliche Zuschüsse für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, sagte Parteichef Martin Schirdewan. Auch die geplante Erhöhung von Hartz-IV-Leistungen - künftig Bürgergeld - auf rund 500 Euro sei ungenügend. Die Linke hatte für Montagabend zu einer großen Demonstration in Leipzig gegen die Energie- und Sozialpolitik der Regierung aufgerufen.

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