Berlin:Dunkler Verdacht

Ein Mordfall im Rocker-Milieu bringt den Chef des Berliner Landeskriminalamts in Bedrängnis. Es ist nicht die erste Affäre um die Behörde.

Von Jens Schneider, Berlin

In der Hauptstadt dringt die Opposition angesichts einer weiteren Affäre um das Berliner Landeskriminalamt auf personelle Konsequenzen in der Führung der Behörde. Der innenpolitische Sprecher der FDP, Marcel Luthe, sagte dem Inforadio des rbb, dass offenbar die Kommunikation im LKA Berlin permanent nicht funktioniere. Dafür sei letztlich der Chef des LKA verantwortlich, sagte Luthe, da müsse man "offensichtlich mal personelle Konsequenzen ziehen." Die Vorwürfe gegen den Berliner LKA-Chef Christian Steiof drehen sich um einen schwerwiegenden Verdacht gegen drei Beamte aus seinem Haus. Es geht dabei um einen Mordfall im Berliner Rocker-Milieu.

Gegen die drei Beamten wird wegen des Verdachts auf Totschlag durch Unterlassen ermittelt. Sie sollen womöglich in diesem Fall von den Mordplänen gegen das spätere Opfer gewusst, aber aus Ermittlungsgründen nicht eingegriffen und so dessen Tod in Kauf genommen haben. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die drei Polizisten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zugleich laufen interne Ermittlungen bei der Polizei. Im Januar 2014 war der 26-jährige Tahir Ö. in Berlin in einem Wettlokal aus nächster Nähe erschossen worden. Bereits vor vier Jahren wurde deswegen vor dem Landgericht Berlin ein Prozess gegen elf Angeklagte eröffnet. Zehn von ihnen sind Mitglieder der Rockergruppe Hells Angels.

Der Anklage zufolge soll es sich bei dem Mord im Stadtteil Reinickendorf um einen Racheakt gehandelt haben. Das umfangreiche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. In der vergangenen Woche hat das Gericht in einem rechtlichen Hinweis erklärt, dass man im LKA gewusst habe, dass der junge Mann durch die Rocker gefährdet sei. Die LKA-Ermittler könnten seinerzeit von den Mordplänen durch Kontaktmänner im Milieu und abgehörte Telefonate gewusst haben, heißt es.

Personenschutz gehe immer vor Ermittlungserfolg, sagt der Staatsanwalt

Trotzdem sei der Mann nicht gewarnt worden und es habe auch keinen Plan zur Gefahrenabwehr gegeben, sagte dazu nun am Montag Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra. Dabei sei es für ihn "unvorstellbar, dass Polizeibeamte das gemacht haben sollen." Personenschutz gehe immer vor Ermittlungserfolg, betonte der Oberstaatsanwalt. Es gebe aber tatsächliche Anhaltspunkte, dass die Polizei unsauber gearbeitet habe und es zu einer Reihe von Fehlern gekommen sei, sagte der Staatsanwalt.

Konkret besteht offenbar der Verdacht, dass die Ermittler damals nicht eingriffen, weil sie hofften, anschließend besser gegen den örtlichen Hells-Angels-Chef vorzugehen. Zu diesem Fall hatte es bereits 2014 Disziplinarverfahren gegeben, sie wurden aber eingestellt. Jetzt wurden die drei Beamten vom Dienst suspendiert.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte: "Die im Raum stehenden Vorwürfe wiegen schwer." Die Staatsanwaltschaft werde alles daransetzen, die Umstände aufzuklären. Er warnte aber vor voreiligen Schlüssen.

Das Berliner LKA und seine Führung stehen seit Längerem in der öffentlichen Kritik. Nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz vom Dezember 2016 waren erhebliche Ermittlungspannen und Versäumnisse in der Behörde bekannt geworden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: