Süddeutsche Zeitung

Berlin:Der SPD-Wahlkampf muss ohne Magier Stauss stattfinden

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Der PR-Stratege sagt den Sozialdemokraten für den Bundestagswahlkampf ab - ein Grund dürfte wohl Parteichef Gabriel sein.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Zu den vielen Fragen, die vor einem Wahlkampf von Belang sind, gehört diese: Welcher Stratege, welche Agentur bekommt die Planung der Kampagne übertragen? Nicht so sehr von Belang ist normalerweise, wer diese Aufgabe nicht übernimmt - doch bei der SPD ist es dieser Tage umgekehrt: Wie aus Parteikreisen zu hören ist, hat der Wahlkampf-Stratege Frank Stauss, der für die Sozialdemokraten bereits diverse Kampagnen konzipiert hat, per Brief erklärt, für den Bundestagswahlkampf nicht zur Verfügung zu stehen. Für die SPD ist das eine relevante Nachricht.

Warum? Weil Stauss, geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Butter und Autor des Buches "Höllenritt Wahlkampf", sich zwischenzeitlich so etwas wie den Ruf eines Magiers erworben hatte - unter anderem weil er der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer im Frühjahr dabei half, trotz miserabler Ausgangsposition noch die Landtagswahl zu gewinnen. Auf ein ähnliches Wunder hatten auch in der Bundes-SPD viele gehofft. Doch Stauss hat nun abgesagt.

So viel zu den Fakten. Was die Gründe angeht, wird es schwieriger. "Zu unseren Kundenbeziehungen geben wir keine Auskunft", teilt Stauss selbst mit - zumal seine Agentur derzeit noch für die SPD arbeitet. Auch im Willy-Brandt-Haus gibt man sich ziemlich zugeknöpft. Doch man geht aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu weit, wenn man als einen zentralen Grund für die Absage Stauss' Blick auf Parteichef Sigmar Gabriel in den Fokus nimmt.

"Die Zeiten sind zu ernst, um nicht einzusehen, dass eine falsche Kandidatur zur falschen Zeit verheerende Folgen haben kann"

Darauf deutet ein Blogbeitrag hin, den Stauss vor etwa einem Monat veröffentlichte. Darin beschäftigte er sich mit dem US-Wahlkampf und kam, lange vor dem nun bekanten Wahlausgang, zu dem Schluss, dass Hillary Clintons Kandidatur falsch gewesen und der Grund dafür sei, dass sich Donald Trump überhaupt noch im Rennen befinde. Dann schrieb er, man solle "in Deutschland und Europa" daraus lernen: "Auch wenn man meint, an der Reihe zu sein, auch wenn man es sich tatsächlich verdient hat, selbst wenn es objektiv ungerecht wäre, zurückstecken zu müssen - die Zeiten sind zu ernst, um nicht einzusehen, dass eine falsche Kandidatur zur falschen Zeit verheerende Folgen haben kann. Für ein Land, für eine Partei, manchmal sogar für die ganze Welt."

Das verstanden viele in der SPD auf Parteichef Gabriel gemünzt.

Auch inhaltlich hatte es Differenzen gegeben. Stauss steht für einen dezidiert flüchtlingsfreundlichen Kurs, wie ihn auch Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz gefahren hatte. Gabriel hingegen warnt immer wieder davor, die Ängste der Bevölkerung nicht ernst zu nehmen - und hatte während des rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampfs wiederholt versucht, Dreyer zu einer stärkeren Betonung des Aspekts der inneren Sicherheit zu bewegen.

Allerdings hatte Stauss' Status als Heilsbringer innerhalb der SPD zuletzt ein wenig gelitten - schließlich stand er auch hinter jener Kampagne, mit der Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September für eine weltoffene, tolerante Hauptstadt warb. Zwar gewann er die Wahl, stürzte aber auf 21,6 Prozent ab. Auch das registrierte Gabriel aufmerksam.

Stauss will sich nun offenbar auf den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen konzentrieren - und die Bundes-SPD muss sich nach einem Ober-Kreativen umschauen. Wobei das vielleicht auch nur folgerichtig ist. Schließlich steht bei ihnen derzeit ja noch nicht einmal der Kanzlerkandidat fest.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2016
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