Die Festnahme dreier mutmaßlicher Hamas-Terroristen hat eine Debatte über einen möglichen Passentzug für Terroristen ausgelöst. „Wer in Deutschland Terroranschläge plant oder unterstützt, stellt sich bewusst gegen unsere freiheitliche Ordnung“, warnt der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm.
Nach geltendem Recht kann schon heute die deutsche Staatsangehörigkeit verloren gehen, wenn sich Täter im Ausland an Kampfhandlungen einer Terrororganisation beteiligen. „Ich finde, wir sollten diese Regelung reformieren und auf das Inland ausweiten“, sagte Throm der Süddeutschen Zeitung. Auch wer in Deutschland Terroranschläge für Organisationen wie die Hamas vorbereite oder begehe, solle künftig die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren können. Dies gelte allerdings nur für Doppelstaatler. Wer nur eine Staatsangehörigkeit hat, den schützt das Grundgesetz davor, staatenlos zu werden.
Der Verlust der Staatsbürgerschaft sei an „allerengste“ Voraussetzungen gebunden, mahnt die SPD
Allerdings löst Throms Vorstoß schon in der eigenen Koalition Widerspruch aus. „Forderungen zum Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft trete ich deutlich entgegen“, sagt Sonja Eichwede, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. „Staatsangehörigkeitsrecht ist kein Nebenstrafrecht.“Der Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit sei zu Recht als Lehre aus den Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus grundsätzlich verboten, der Verlust an „allerengste“ Voraussetzungen gebunden. Die Hintergründe des aktuellen Falls müssten nun zügig aufgeklärt werden, auch damit mögliche Netzwerke und weitere Verbindungen aufgedeckt werden, forderte Eichwede und mahnte ein Vorgehen „mit der vollen Härte des Gesetzes“ an.
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums von Alexander Dobrindt (CSU) äußerte sich am Donnerstag zurückhaltend zu dem Vorschlag aus der Union. Gegenwärtig sei der Passverlust wegen einer Terrorbeteiligung im Inland nicht möglich. Der Staatsangehörigkeitsverlust könne aber mit einer einfachgesetzlichen Regelung möglich werden. „Davon gehe ich aus“, sagte sie.
Die drei Beschuldigten befinden sich seit Donnerstag in Untersuchungshaft. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe erließ am Donnerstag Haftbefehle. Derweil werden neue Details über die Gründe der Festnahmen bekannt. Die drei Beschuldigten im Alter zwischen 36 und 44 Jahren wollten offenbar auf dem Schwarzmarkt schwere Schusswaffen für Anschläge in Deutschland besorgen. Sie wurden am Mittwoch vorläufig festgenommen, als eine Übergabe im Berliner Stadtteil Moabit stattfinden sollte. Laut Innenminister Dobrindt war die Bedrohungslage zwar konkret, die Ziele aber waren nicht bekannt. Es sei möglich, dass sich im Laufe der Ermittlungen herausstelle, was genau die Verdächtigen geplant hätten, sagte er.
Die Fahnder hatten die drei Männer schon seit mehreren Monaten im Visier und verfolgten ihre Aktivitäten offenbar engmaschig. Ausgangspunkt war die Einreise eines Terrorverdächtigen mit Hamas-Kontakten nach Deutschland. Seitdem sei die Person unter Beobachtung gewesen, heißt es aus Sicherheitskreisen. Dennoch erfolgte der Zugriff am Ende unter hohem Zeitdruck, weil sich die Gefährdungslage mit der kurzfristig geplanten Waffenübergabe verschärft hatte. Anders als bei langfristigen Operationen üblich, schlugen die Fahnder nur mit einer vorläufigen Verhaftung zu. Das gilt als beschleunigtes Verfahren und ist bei dringendem Tatverdacht möglich. Alle drei Festgenommenen hätten verwandtschaftliche Bezüge nach Libanon und würden sich mehr oder weniger als Palästinenser verstehen, hieß es weiter.
Die Hamas bestreitet jegliche Verbindung zu den Festgenommenen
Sicherheitspolitiker warnen nun vor einer ernsten Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland – nicht nur durch die Hamas. „Es gibt derzeit eine relevante Gefährdungslage für jüdische Menschen und Einrichtungen in Deutschland“, sagte Grünen-Vizefraktionschef Konstantin von Notz der SZ, der auch Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums der Geheimdienste ist. Sicherheitsbehörden müssten wachsam und präzise arbeiten, um diese Bedrohung durch die Hamas, aber auch durch „Iran oder Einzeltäter“ abzuwehren. „Bei allen anderen Herausforderungen durch russische Spionage, Sabotage und Einflussnahme dürfen der Islamismus, antisemitische Organisationen und Einzelpersonen nicht aus dem Fokus der Sicherheitsbehörden geraten.“
Die Hamas bestritt nach den Festnahmen jegliche Verbindung. „Die Behauptung, dass die Festgenommenen Verbindungen zur Hamas haben, entbehrt jeder Grundlage und zielt darauf ab, den Ruf der Bewegung zu beschmutzen und die Sympathie des deutschen Volkes für unser palästinensisches Volk zu untergraben“, hieß es in einer Mitteilung der Terrorgruppe. Sie bleibe dabei, „ihren Kampf gegen die zionistische Besatzung ausschließlich auf Palästina zu beschränken“.
Die Hamas hat bisher in Deutschland keine Anschläge verübt, ihr Terror fokussierte sich auf Israel und die Palästinensergebiete. Allerdings hatte sich eine Ausweitung ihrer Aktivitäten angebahnt. Im Dezember 2023 hatte die Bundesanwaltschaft bereits drei Männer in Berlin und einen Mann im niederländischen Rotterdam festnehmen lassen. Auch sie sollen seit Jahren als sogenannte Auslandsoperateure der Terrororganisation tätig gewesen sein, derzeit läuft in Berlin der Prozess. Die Angeklagten sollen Waffendepots der Hamas angelegt oder genutzt haben für mögliche Anschläge auch in Deutschland.
Sollten sich die Vorwürfe gegen die jetzt Festgenommenen erhärten, so wäre dies ein weiterer Hinweis darauf, dass die Hamas ihre Terroraktivitäten auch auf Deutschland ausdehnt. Man sehe hier einen „Paradigmenwechsel“, hieß es aus Kreisen der Sicherheitsbehörden. Der Verdacht im aktuellen Fall sei deutlich gravierender als bei den Fällen, die derzeit in Berlin vor Gericht verhandelt würden. Es gehe hier nicht um Waffenhandel, sondern um einen Transport von Waffen mit dem Ziel Deutschland. Bisher habe Deutschland für die Hamas als Rückzugsraum gegolten, in dem man zudem Spenden einsammele. Nun werde es offenbar auch zum Terrorziel.
Die Zahl der Hamas-Mitglieder in Deutschland ist laut Verfassungsschutz gewachsen von etwa 450 im Jahr 2023 auf 550 im vergangenen Jahr. Ziel der Hamas ist die Vernichtung Israels und die Errichtung eines islamistischen Staates auf dem gesamten Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan. Dieses Ziel will die Hamas auch mit Gewalt erreichen.

