Berlin:Brav im Fischglas

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und die Unterhändler reden über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA und stellen sich dem Publikum. Es ging schon heftiger zu.

Von Michael Bauchmüller

Als die Debatte vorüber ist, nach anderthalb Stunden TTIP vorwärts und rückwärts, da bahnt sich der Bundeswirtschaftsminister den Weg durch die Studenten und sucht den Nahkampf. Es geht jetzt nicht mehr um das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA, sondern um eine Klatschpappe. Die Gemüter sind erhitzt, Gerechtigkeit und Fairness stehen auf dem Spiel, wie bei TTIP. Aber dazu später.

Zuvor hatten sich vier der TTIP-Protagonisten für anderthalb Stunden in die fishbowl begeben. So heißt das neudeutsch, wenn Diskutanten in der Mitte sitzen und das fragende Volk drumherum - ein "Fischglas". Im Aquarium des Berliner Wirtschaftsministeriums sitzen an diesem Dienstag neben Gabriel noch die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, der US-Handelsbeauftragte Michael Froman und Bernd Lange, der Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament. Was die Verhandlungen um das so umstrittene Freihandelsabkommen angeht, geht es kaum prominenter. Im Kreis drumherum: lauter Studenten, ein paar Auszubildende und Oberstufenschüler.

Von der Klatschpappe mal abgesehen sind die meisten noch recht freundlich, mitunter fast brav. Was es mit den Schiedsgerichten auf sich habe, und ob das Abkommen am Ende nationales Recht aushebele, wollen einige wissen. Alle vier in der Mitte verneinen. Ob ein Abkommen die Daseinsvorsorge gefährde, zu massenhaften Privatisierungen führe? Alle verneinen. Ein Vertreter der Landjugend möchte wissen, wie er seine Bauernfreunde noch besser von den Vorzügen von TTIP überzeugen kann. Gabriel sagt: "Reden, reden, reden." Es ist nicht seine engagierteste Antwort.

Gabriel selbst hatte zuletzt Bewegung in die Gespräche gebracht, mit einem Vorschlag für einen bilateralen Handelsgerichtshof. Statt der bisher privaten Schiedsgerichte sollten Europäer und Amerikaner eine neue Instanz schaffen, vor der Investitionsstreitigkeiten geklärt werden könnten. Eine der umstrittensten Fragen wäre so entschärft. Froman äußert sich nur vage dazu. Auch die USA wollten Prozesse "von hoher Integrität", sagt er. "Ich bin sehr gewillt, mich hinzusetzen und das zu diskutieren." Er selbst wartet darauf, dass der Kongress Barack Obama eine Handelsvollmacht ausstellt, dann laufen auch die TTIP-Gespräche flotter. "Wir arbeiten hart daran, das Abkommen noch unter Obama hinzukriegen", sagt auch Malmström. Es gibt aus der Mitte der fishbowl eine ganze Reihe flammender Plädoyers für den transatlantischen Handel - und überraschend viel Applaus dafür.

"Im Leben gibt es Missverständnisse", sagt Gabriel ganz am Ende, da steht er schon bei den Leuten mit der Klatschpappe. Gefaltet wie ein Fächer, lässt sich mit solchen Pappen ordentlich Krach machen. Ein junger Mann wollte eine einschleusen und sollte deshalb draußen bleiben. Es gab Proteste. Gabriel, dem an diesem Mittag ja an Aufklärung gelegen ist, hört alle Seiten an, die Wogen glätten sich. Insgesamt, sagt er, sei die Debatte doch inzwischen schon viel sachlicher geworden.

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