Süddeutsche Zeitung

Berlin:Berliner Hotelzimmer für Flüchtlinge? Was dahintersteckt

Lesezeit: 3 min

Berichte über die viel zu teure Unterbringung von Flüchtlingen in Berliner Hotels sorgen für Aufregung.

Von Jens Schneider

Der Druck ist groß in der Hauptstadt, und der Platz ist knapp. Allein im vergangenen Jahr musste das Land Berlin 47 000 Flüchtlinge neu unterbringen, und das in einer Stadt, deren Bevölkerungszahl ohnehin dramatisch wächst: Bereits in den Jahren zuvor stieg die Einwohnerzahl der Hauptstadt jeweils um mehr als 40 000 Menschen. In der boomenden Hauptstadt herrscht längst Wohnungsknappheit. Der rot-schwarze Senat hat seit Monaten große Not, Plätze für Flüchtlingsunterkünfte zu finden. Wo immer der Koordinierungsstab Flüchtlinge des Berliner Senats seinen Blick hinwendet, stets gibt es Proteste und Widerstand. Ob nun Turnhallen genutzt werden, die Schulen und Vereinen fehlen, oder der frühere Tempelhofer Flughafen - überall stößt der Senat an Grenzen. Und die Betten reichen noch lange nicht. Jetzt macht eine Meldung Schlagzeilen, bei der es um die Unterbringung von Flüchtlingen in Hotels geht - und zwar zu aberwitzigen Preisen für das Land.

Berichtet hat die Geschichte zunächst die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Dort hieß es, dass der Senat mit der Hotelkette Grand City Hotels GCH über die Anmietung von 10 000 Hotelbetten in 22 Hotels verhandelt. Dabei verlange die Kette je Platz und Nacht eine Miete von 50 Euro, also etwa 1500 Euro im Monat und 18 000 Euro jährlich. Bei einem mehrjährigen Vertrag käme der Senat auf 600 Millionen Euro an Kosten. Bestätigt ist vom Senat und von der Hotel-Gruppe: Es gibt diese Verhandlungen, aber die Geschichte ist offenbar komplex. Wie es aus Berliner Senatskreisen heißt, handelt es sich aus einer Reihe von Gründen um einen "eher unwahrscheinlichen Deal". Und eindeutig wird von der Senatssprecherin ausgeschlossen, dass solch hohe Preise gezahlt werden.

Senatssprecherin Daniela Augenstein erinnert daran, dass man in der schwierigen Lage durchaus alle Möglichkeiten prüfe. Der Markt werde sondiert. Dabei sei aber völlig offen, wie die Gespräche ausgehen. "Wir sollten nicht über ungelegte Eier reden." Augenstein sagt unmissverständlich: "Ein Preis von 50 Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen ist ein unangemessener Preis. Den wird es so niemals geben." Und sie sagt: "Darüber wird auch nicht verhandelt."

Kein Interesse an einem langfristigen Vertrag

Die Verhandlungen laufen offenbar seit wenigen Wochen. Und sie gestalten sich offenbar eher schwierig und kompliziert. Denn nicht allein der Preis, sondern auch der gesamte Umfang des möglichen Pakets steht einer Lösung offenbar im Wege. Dazu gehört auch die Frage, wie lange angemietet würde.

Der Berliner Senat hat logischerweise keinerlei Interesse an einem langfristigen Vertrag, der den Hotels sichere Mieten bringen würde, wenn Berlin sie vielleicht schon gar nicht mehr braucht. Niemand weiß derzeit, wie hoch die Zahl der ankommenden Flüchtlinge in den kommenden Jahren sein wird. Noch im Jahr 2014 kam nur ein Bruchteil der Zahl, die Berlin dann im Jahr 2015 aufzunehmen hatte. Derzeit stellt sich der Berliner Senat darauf ein, dass in diesem Jahr rund 30 000 weitere Unterbringungen für Geflüchtete gebraucht werden. Aber das ist pure Spekulation angesichts der aktuellen politischen Situation. Sicher lässt sich die Zahl derzeit nicht kalkulieren.

Am Mittwochabend erklärte das Unternehmen GCH, dass es Verhandlungen mit dem Land Berlin nur in Bezug auf zwei Hotels führe. Der potenzielle Mietpreis pro Person und Tag entspreche "dem üblichen Rahmen", der normalerweise von der Stadt Berlin für vergleichbare Objekte und Deinstleistungen bezahlt werde. Es sei bisher kein Vertrag mit dem Land abgeschlossen worden. Über den Ausgang möglicher Verhandlungen mit anderen Hotelgruppen wurde bislang nichts bekannt.

Intern werden in der Berliner Senatsverwaltung die Berichte über mögliche exorbitant teure Anmietungen als "abwegig" eingestuft. Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen ordnete die Spekulation öffentlich ein, indem er daran erinnerte, dass man eine andere Politik verfolge. Zuletzt habe Berlin immer weniger Flüchtlinge in Hostels untergebracht, also eher billigen Hotels. Grundsätzlich strebe der Senat an, dass für einen Platz nicht mehr als 10 Euro pro Nacht gezahlt werden soll, bei Hotelunterbringungen liege man allerdings drüber. Derzeit zahlt Berlin für einen Hostelplatz laut Sozialverwaltung im Schnitt 37,50 Euro pro Tag. Nur 642 Flüchtlinge seien derzeit so untergebracht, deutlich weniger als noch vor Monaten.

Berlin will der Knappheit zudem schnell mit einem eigenen Bauprogramm begegnen, in dem einfache, aber schnell nutzbare Unterkünfte für Flüchtlinge gebaut werden, schon von diesem Frühjahr an, in sogenannter modularer Bauweise. Diese Wohn- und Gemeinschaftsunterkünfte sollen schnell und kostensparend errichtet werden. Für diesen Neubau und die Herrichtung von Bestandsgebäuden werden dem Senat zufolge voraussichtlich Investitionen im Umfang von 612 Millionen Euro gebraucht. Da geht es freilich um Unterkünfte, die von mindestens 24 000 Flüchtlingen länger genutzt werden sollen.

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