BerlinAuch dein Freund, der Baum

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Eigentlich haben es Bäume in Berlin schwer, mit den neuen klimatischen Bedingungen klarzukommen. Nun will eine Initiative die Stadt zwingen, aufzuforsten.
Eigentlich haben es Bäume in Berlin schwer, mit den neuen klimatischen Bedingungen klarzukommen. Nun will eine Initiative die Stadt zwingen, aufzuforsten. (Foto: Soeren Stache/dpa)
  • Eine Bürgerinitiative fordert per BäumePlus-Gesetz eine Million Straßenbäume in Berlin bis 2040.
  • Die Regierungsfraktionen CDU und SPD wollen das Gesetz überraschend übernehmen, nachdem es der Senat im Juni abgelehnt hatte.
  • Das Projekt könnte etwa sieben Milliarden Euro kosten und soll die Temperaturen in der Stadt um zwei Grad senken. Unklar ist, woher das Geld kommen soll.
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Eine Bürgerinitiative  will Berlin per Gesetz dazu verpflichten, hunderttausende Bäume zu pflanzen. Inzwischen sind alle dafür, sogar die eher antigrüne Stadtregierung aus CDU und SPD. Doch wer soll das bezahlen?

Von Meredith Haaf, Berlin

Was ist ein Baum? Wer sich diese Frage jemals gestellt hat, hörte in Berlin zuletzt viele kreative Antworten, zum Beispiel im Abgeordnetenhaus, wo vergangene Woche zum Thema „Mehr Bäume für Berlin“ eine angeregte bis aufgeheizte Debatte stattfand: „Ein Schatz, den wir in dieser Stadt schon haben.“ (CDU) „Kein bürgerlich-konservatives Thema!“ (Grüne) „Systemrelevant.“ (SPD). Nicht einmal die AfD will sich gegen mehr Bäume gestellt wissen. Allerdings sei der Baum auch ein Thema, bei dem man „über's Geld reden“ muss (Linke).

Anlass für dieses Philosophieren ist das BäumePlus-Gesetz, das die  Regierungsfraktionen Berlins in Sachen Stadtgrün unter beachtlichen Druck setzt. Eine Bürgerinitiative namens BaumEntscheid Berlin fordert das Gesetz, nach dem in Berlin bis 2040 insgesamt eine Million gesunde Straßenbäume stehen sollen, auf 891 Quadratkilometern alle 15 Meter einer. 439 000 Linden, Eichen oder Platanen stehen derzeit in der Stadt, viele sind erkrankt. Zuletzt wurden stets mehr gefällt als nachgepflanzt. Es würde also darum gehen, eine ganze Menge neuer Bäume zu pflanzen und das in einer Stadt, die massiv Haushaltsgelder streicht – gerade auch im Umweltbereich. Und doch sagt in dieser Woche Dirk Stettner, Fraktionschef der Regierungspartei CDU: „Wir stehen hinter der Million.“ Das Berliner Abgeordnetenhaus könnte das BäumePlus-Gesetz tatsächlich in einem Monat verabschieden.

Laut Umfragen unterstützt zwischen 70 und 80 Prozent der Berliner das Vorhaben

Das Klimaanpassungsgesetz (KAnG) des Bundes schreibt den Ländern vor, bis Anfang 2027 eigene Klimaanpassungsstrategien vorzulegen. Wenn BäumePlus käme, wäre Berlin hier vorn mit dabei. Denn, wie Heinrich Strößenreuther, einer der beiden Gründer der Initiative und profilierter Stadt-Aktivist sagt: „Wir machen das hier nicht, weil wir Bäume so schön finden. Tun wir auch. Aber sie sind in diesem Rahmen eine multifunktionelle Maßnahme.“ Schattenspender, Luftreiniger, Lebensraum und Entwässerungshelfer: Ein Baum ist all das, er ist aber auch ein Angebot, das die Politik schwer ablehnen kann.

Schon jetzt verzeichnet Berlin mehr Tote durch Hitzefolgen als durch Verkehrsunfälle, aber – nicht nur in Berlin – auch der Alltag wird durch Starkregen und Hitze immer beschwerlicher. Die Trockenheit macht wiederum Bäume anfälliger für Krankheiten, was zu mehr Fällungen führt. Statistiken zufolge reduziert jeder Hitzetag die durchschnittliche Produktivität so, als würden die Mitarbeiter einen halben Tag streiken.

Der BaumEntscheid hat mit Experten berechnet, dass eine Million neue Bäume die Temperaturen in der Stadt um zwei Grad reduzieren könnten. Sie sehen sie als Teil einer „blau-grünen Infrastruktur“, zu der „tiny gardens“ gehören, so wie eine systematische Entsiegelung von Flächen. Das BäumePlus-Gesetz sieht dabei vor, dass mit der Begrünung da angefangen wird, wo es besonders nötig ist – in den Betonlandschaften der Stadtteile Neukölln oder Marzahn etwa.

Eine Begrünungsoffensive, die Klimafolgen vor allem für Alte und Kinder gerade in sozial belasteten Vierteln mitdenkt, wäre in klimapolitisch zögerlichen Zeiten nahezu eine Sensation. Zumal in einer Stadt, die zwar einerseits viele Grünflächen und Wälder hat, aber von der CDU in Sachen Stadtplanung tendenziell antigrün regiert wird. Im Juni hatte der schwarz-rote Senat das BäumePlus-Gesetz abgelehnt, mit der Begründung, es fokussiere „einseitig auf Maßnahmen der grünen Infrastruktur“.

Damit wandert das Gesetz ins Abgeordnetenhaus, wo es die Grünen bereits eingebracht haben. Dort läuft die Frist, das Gesetz zu verabschieden, am 3. November aus. Danach kann die Initiative einen Bürgerentscheid auf den Weg bringen, der BaumEntscheid wäre ein emotionales Wahlkampfthema. Zwischen 70 und 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt in Umfragen das Vorhaben. Nachdem die CDU das Thema über den Sommer eher ignoriert hatte, hat sie sich kürzlich auf ihrem Parteitag hinter das Vorhaben gestellt und einen eigenen Entwurf gemeinsam mit der SPD angekündigt. Zur allgemeinen Überraschung verkündeten die Fraktionsspitzen am Mittwoch nun, das Gesetz der Initiative übernehmen zu wollen.

Details müsse man klären, das könne man aber, betonen nun alle Beteiligten. Es geht um die Frage, ob ein unabhängiges Kontrollgremium eingerichtet werden solle - die Initiatoren bestehen darauf, die CDU ist nicht überzeugt. Und natürlich geht es um Geld. Die Initiative spricht von etwa sieben Milliarden Euro, die das Projekt über 14 Jahre kosten würde. Das könne aus dem bestehenden Haushalt nicht kommen, sagt SPD-Fraktionschef Raed Saleh, aber irgendwie wird es mit dem Sondervermögen und einigen Verschiebungen schon werden. „Erst kommt das Gesetz, dann sprechen wir darüber, wie es finanziert wird.“ Ein Baum ist auf jeden Fall auch: ein Thema, bei dem sich in Berlin zur Abwechslung einmal alle einigen können.

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