Süddeutsche Zeitung

Bericht von Amnesty International:Die vielen Fratzen der Folter

Es gibt mehr Länder in der Welt, in denen gefoltert wird, als nicht. Mit ausgefallenen, brutalen Methoden. Fünf Beispiele aus dem bedrückenden Jahresbericht von Amnesty International. Aus Iran, dem Sudan, Mexiko. Aber auch aus Japan und den USA.

Schlafentzug, Schläge, Vergewaltigungen, Elektroschocks gegen die Genitalien, das Aufhängen an Händen und Füßen, Verbrennungen, Wasserfolter, Sauerstoffentzug, Scheinhinrichtungen und das erzwungene Verharren in schmerzhaften Positionen. Eine Liste der Grausamkeiten - und sie ist noch lange nicht vollständig.

27 Foltermethoden zählt der Folter-Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) auf. 27 Methoden, Menschen menschenunwürdig zu behandeln. In mehr als der Hälfte der Länder der Welt, 141 an der Zahl, wird gefoltert oder misshandelt. Die Methoden unterscheiden sich von Region zu Region. In einigen Ländern handelt es sich um Einzelfälle, in anderen gehört systematische Folter zur Tagesordnung.

Die Unterschiede sind groß. Wie groß, das verdeutlichen die fünf exemplarisch ausgewählten Fälle. Und sie zeigen, dass Folter ein Problem ist, das wir eigentlich im Mittelalter verorten. Doch selbst in großen Demokratien halten viele Menschen Folter notfalls für gerechtfertigt. Zum Beispiel um an "Informationen zum Schutz der Öffentlichkeit zu kommen". In den USA sind das laut einer AI-Umfrage beispielsweise 45 Prozent. In Deutschland immerhin noch 19 Prozent.

Iran

35 Jahre alt war Sattar Beheshti, als er Ende 2012 in einem Gefängnis im Norden Teherans verstarb. Ein Herzinfarkt, wohl wegen eines Schocks aufgrund der Inhaftierung. Das behauptete jedenfalls Irans Regierung einige Wochen später.

Sattar Beheshti war Blogger, einer, der sich öffentlich kritisch über die Regierung geäußert hatte. Vor allem die finanziellen Verstrickungen Teherans mit der radikalen libanesischen Hisbollah-Miliz prangerte er immer wieder an.

Kurz nach seiner Verhaftung war Beheshti der iranischen Internetpolizei Fata übergeben worden. Mithäftlinge in Sektion 350 des Evin-Gefängnisses sagten später aus, Beheshtis Körper sei durch Folter zerstört worden, keine Stelle sei unversehrt geblieben. Ein gerichtsmedizinisches Gutachten bestätigte, dass Beheshti an inneren Blutungen in Lunge, Leber, Nieren und Gehirn starb. Beheshtis Mutter wurde von den iranischen Behörden Geld für ihr Schweigen geboten. Als sie sich nicht daran hielt, wurde sie bedroht. Eine unabhängige Untersuchung des Todes Beheshtis steht bis heute aus.

Mexiko

In Mexiko, so die Einschätzung von AI, ist vor allem der Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte weit verbreitet - und bleibt zumeist ohne Ahndung.

Wie im Fall der 31-jährigen Miriam López Vargas. Die Mutter von vier Kindern wurde von zwei Soldaten in Zivil aus ihrer Heimatstadt entführt und eine Woche lang in einer Militärbaracke festgehalten. In dieser Zeit wurde sie drei Mal vergewaltigt, mit Elektroschocks gefoltert. López Vargas sollte gestehen, in Drogengeschäfte verwickelt zu sei. Auch drei Jahre nach dem Vorfall hat sich noch keiner ihrer Peiniger vor Gericht verantworten müssen.

Sudan

Wer im Sudan festgenommen wird, der schwebt ihn höchster Gefahr, gefoltert zu werden. Immer wieder berichtet Amnesty International davon, wie grausam sudanesische Sicherheitskräfte vorgehen. Die Menschenrechtsorganisation führt Schläge mit Stöcken oder Gummischläuchen an. Gefangene bekämen kein Essen, kaum Wasser, dürften nicht schlafen. Immer wieder würden sie gezwungen, über Stunden in großer Hitze zu stehen.

Dass auch Tajelidin Ahmed Arja gefoltert wird, ist sehr wahrscheinlich. Seit mehr als einem Jahr, seit dem 24. Dezember 2013, wird der Student aus dem Norden Darfurs gefangen gehalten. Arja hatte auf einer Konferenz den tschadischen und den sudanesischen Präsidenten kritisiert. Daraufhin brachten Sicherheitskräfte den 26-Jährigen mit Gewalt aus dem Saal. Bis heute fehlt jede Spur von ihm.

Japan

Es war ein gebrochener Mann, der vor wenigen Wochen ein Gefängnis in Tokio verlassen hat. 48 Jahre lang hatte Iwao Hakamada auf seine Hinrichtung gewartet. 48 Jahre verbrachte er unter grausamen Bedingungen im Todestrakt: strenge Isolationshaft. Hakamada war wegen Mordes an seinem Vorgesetzten verurteilt worden. Dabei hatte er sein Geständnis in der Untersuchungshaft unter Zwang abgelegt. Hakamada erklärte, seine Aussage sei während eines 20 Tage langen Polizeiverhörs erzwungen worden und zog sie zurück. Die Beamten hätten ihn geschlagen und ihm gedroht. Auch wurde bekannt, dass während des Prozesses Beweise gefälscht wurden. Trotzdem wurde das Todesurteil im Jahr 1980 vom Obersten Gerichtshof bestätigt.

Erst ein DNA-Test bewies jetzt Hakamadas Unschuld. Ein Richter setzte im März 2014 die Todesstrafe aus. Ob der heute 78-Jährige allerdings den Rest seines Lebens in Freiheit verbringen kann, ist nicht sicher. Die Staatsanwaltschaft hat Revision gegen die erneute Prüfung des Falls angekündigt. Darin sieht Amnesty International eine weitere Verstärkung der "psychischen Folter", der Hakamada seit Jahrzehnten ausgesetzt sei. Zum Tode Verurteilte werden in Japan oft über Jahre in Isolationshaft gehalten.

USA

Eine abgelegene Villa im Seengebiet der Masuren war für die CIA offenbar das wichtigste Gefängnis, das der amerikanische Geheimdienst nach dem 11. September 2001 in Polen unterhalten hat. Dort wurde auch Khalid Scheich Mohammed, der als Chefplaner der Anschläge gilt, gefoltert. 183 Mal Waterboarding.

Von den USA wurden die Gefängnisse und was dort geschah zum Staatsgeheimnis erklärt. Klar ist mittlerweile dennoch, dass die CIA zwischen 2002 und 2006 Gefängnisse in Litauen, Polen und Rumänien betrieb. 15 Millionen Dollar bezahlte die US-Regierung nach Recherchen der Washington Post zum Beispiel an Polen dafür. Die Häftlinge in diesen Gefängnissen wurden laut AI geschlagen, sie wurden mit Scheinhinrichtungen unter Druck gesetzt und mit Schlafentzug gequält.

Amnesty schreibt in dem Zusammenhang, es sei "ein Leugnen und Verschleiern von Folter und Misshandlungen vorherrschend".

Linktipps: Den vollständigen Bericht in deutscher Sprache finden Sie hier.

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