Süddeutsche Zeitung

Bericht von Amnesty International:Abgeschottete "Festung Europa"

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Harsche Kritik von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International: Statt Menschenleben zu retten, konzentriere sich die EU darauf, Zäune hochzuziehen. Sogar mit folternden Nachbarstaaten kooperiere man, um Flüchtlinge abzuhalten.

  • Amnesty beklagt die Abschottungspolitik der EU gegen Flüchtlinge. Zwischen 2007 und 2013 habe die EU fast zwei Milliarden Euro für Zäune ausgegeben. Für Flüchtlinge betrugen die Ausgaben hingegen 700 Millionen Euro.
  • Der Verband kritisiert, dass nur Italien Bootsflüchtlinge im Mittelmeer rette. Außerdem kooperiere die EU mit Nachbarstaaten, in denen Flüchtlinge verhaftet oder gar gefoltert würden.
  • Amnesty International fordert für Schutzsuchende gefahrenfreie Fluchtwege in die EU.

Geld für Abschottung, nicht für Flüchtlinge

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Europäische Union für die Verteilung ihrer Finanzen an den Außengrenzen kritisiert. Zwischen 2007 und 2013 seien fast zwei Milliarden Euro in den Bau von Zäunen, Überwachungssystemen und in Grenzkontrollen geflossen, heißt es in einem neuen Bericht der Organisation unter dem Titel "Festung Europa auf Kosten der Menschlichkeiten" ( "The Human Cost of Fortress Europe"), der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Nur 700 Millionen Euro wurden dagegen im gleichen Zeitraum in die Verbesserung von Asylverfahren investiert.

"Es ist makaber, dass die Europäische Union Milliarden in die Abschottung steckt und keinen Cent ausgibt, um gemeinsam Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten", sagte die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Çalışkan. Sie forderte eine von allen EU-Ländern finanzierte und koordinierte Seenotrettung. Bisher rettet nur Italien mit der Operation "Mare Nostrum" im Alleingang Bootsflüchtlinge in einem Teil des Mittelmeers.

EU kooperiert mit Staaten, in denen Flüchtlingen Folter droht

Amnesty kritisiert zudem, dass die EU mit Nachbarstaaten wie der Türkei, Marokko und Libyen kooperiert, um Flüchtlinge daran zu hindern, nach Europa zu gelangen. "Flüchtlingen droht dort die Verhaftung, in Libyen sogar Folter", so Çalışkan.

Zum Teil würden Flüchtlinge und Migranten zurückgeschickt, die trotz der Abwehrmaßnahmen Europas Grenzen erreichen, ohne die Chance, Schutz zu beantragen - sogenannte "push-backs". Amnesty International habe diese illegale Praxis in Bulgarien und in Griechenland dokumentiert. Auch die spanische Guardia Civil hätte im Februar 2014 mit Gummigeschossen auf rund 250 Migranten und Flüchtlinge geschossen, die aus Marokko zur spanischen Enklave Ceuta schwimmen wollten. Dabei seien 14 Menschen gestorben (nach anderen Angaben 15). 23 Flüchtlinge, die den Strand erreichten, wurden zurückgeschickt, ohne Zugang zu einem Asylverfahren zu erhalten.

"Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen"

"Es muss eine radikale Wende in der europäischen Flüchtlingspolitik geben. Auch Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen", fordert Çalışkan. "Die EU-Mitgliedstaaten müssen endlich gefahrenfreie Fluchtwege nach Europa schaffen, vor allem durch die aktive Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Ausland." Wenn Flüchtlinge, die in der EU leben, schutzbedürftige Familienmitglieder haben, sollten diese möglichst unbürokratisch nachkommen dürfen, fordert Amnesty International.

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