Bericht des Wehrbeauftragten:Bundeswehr am Pranger

Soldaten in Afghanistan leiden unter schlechter Ausstattung, Soldatinnen werden sexuell belästigt und Rekruten gedemütigt: Die größten Probleme des Arbeitgebers Bundeswehr - im Überblick.

Wolfgang Jaschensky

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Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, hat im März 2010 seinen letzten Jahresbericht an Parlamentspräsident Norbert Lammert übergeben. In dem fast hundert Seiten starken Werk werden Erkenntnisse zum Zustand der Bundeswehr und Beschwerden von Soldaten zusammengefasst.

Bislang haben sich die Probleme kaum geändert. Ein Überblick.

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Ausrüstung bei Auslandseinsätzen

Die Klagen über schlechte Ausrüstung sind so alt wie die Bundeswehr selbst. Der Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee, die sich in der ganzen Welt an Einsätzen beteiligt, hat dieses Problem nur verstärkt. Die Einsätze erfordern neue Waffen, Fahr- und Flugzeuge, moderne Aufklärungs- und Kommunikationstechnik sowie eine angemessene Ausstattung der Soldaten. Das alles kostet Geld, doch der deutsche Verteidigungsetat ist verglichen mit anderen Ländern noch immer bescheiden. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt geben Länder wie Australien oder Brasilien mehr Geld für ihre Armee aus.

In den vergangenen Jahren war im Wehrbericht immer wieder von Soldaten zu lesen, die sich Ausrüstung aus der eigenen Tasche finanziert haben. Sogar mit Ferngläsern des Kafferösters Tchibo beobachteten Soldaten am Hindukusch die Taliban. Schlimmer noch wiegt der Mangel an geschützten Fahrzeugen. Da hat sich zumindest in Afghanistan in den vergangenen Jahren einiges gebessert. Neue geschützte Transport-Fahrzeuge vor allem vom Typ Dingo wurden angeschafft - aber die Lage bleibt angespannt. "Die Situation verschärft sich, sobald Fahrzeuge nach Unfällen oder Anschlägen ausfielen, weil für diese Fahrzeuge kein Ersatz verfügbar war", schreibt Robbe in seinem aktuellen Bericht. Neben einer zu geringen Anzahl von Fahrzeugen klagen Soldaten nach wie vor darüber, dass bestimmte Gefährte nicht für den Einsatz im Gefecht geeignet seien. Immerhin musste der Wehrbeauftragte nicht von Tchibo-Ferngläsern berichten.

Übungspause für einen Soldaten der Quick Reaction Force: In Afghanistan - wie hier in den Marmal-Bergen nahe Masar-i-Sharif - setzt die Bundeswehr auf Fahrzeuge des Typs Dingo. Foto: ddp

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Ärztemangel im Sanitätsdienst

Die Anforderungen von Auslandseinsätzen belasten derzeit besonders den Sanitätsdienst der Bundeswehr. Die Lage hat sich in den vergangenen Jahren "insgesamt dramatisch verschlechtert", schreibt Robbe. 120 Ärzte haben gekündigt, insgesamt fehlen der Bundeswehr 600 Militärärzte. Der Spagat zwischen der Grundversorgung der Truppe und dem Einsatz im Ausland wird so zur Zerreißprobe. In einem Interview mit der Bild-Zeitung griff Robbe die Verantwortlichen scharf an. "Der Sanitätsinspekteur (Generaloberstabsarzt Kurt-Bernhard Nakath; Anm. d. Red.) ist seiner Aufgabe offensichtlich nicht gewachsen", sagte Robbe.

Soldaten des Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst "Ostfriesland" in Leer werden zu ihrem Einsatz nach Afghanistan verabschiedet. Foto: dpa

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Psychische Belastungen durch den Einsatz

Die extreme psychische Belastung bei Auslandseinsätzen wirkt sich immer mehr auf die Gesundheit der Soldaten aus. Im vergangenen Jahr wurden 466 Soldaten wegen posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) behandelt - fast eine Verdoppelung im Vergleich um Vorjahr. Nahezu 90 Prozent der erkrankten Soldaten gehören zur Internationalen Schutztruppe Isaf in Afghanistan. Nach wie vor ungeklärt ist die Dunkelziffer psychisch erkrankter Soldaten. In der Truppe werden psychische Erkrankungen offenbar nach wie vor als stigmatisierend empfunden und von den Betroffenen verschwiegen.

Soldaten des Charly-Zugs der Schutzkompanie der Bundeswehr auf Patrouille nahe der nordafghanischen Stadt Kundus. Foto: ddp

Edelweiß-Kaserne, Wehrbericht, Robbe, dpa

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Erniedrigende Rituale in den Kasernen

Rohe Schweineleber und Rollmöpse mit Fischhefe und Alkohol bis zum Erbrechen: Berichte über die entwürdigenden Aufnahmerituale in der Mittenwalder Edelweiß-Kaserne haben sich im Februar zu einer Affäre ausgeweitet. Immer mehr Rekruten und Reservisten berichteten von unglaublichen Zuständen in deutschen Kasernen. Robbe legte wenige Wochen nach den Mittenwalder Enthüllungen den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses eine Sammlung von 23 Zuschriften mit Berichten über Exzesse in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vor.

Nach Einschätzung Robbes handelt es sich dabei aber um Einzelfälle. Die bisherigen Untersuchungen hätten ergeben, dass die bekannten Fälle nicht "die Spitze des Eisbergs" seien, sondern nur an wenigen Standorten stattgefunden hätten. Robbe regte aber eine Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr an, um die Verbreitung und Art der Rituale möglichst genau festzustellen. Auf der Grundlage einer solchen eingehenden Prüfung könne dann entschieden werden, ob es grundsätzlichen Handlungsbedarf gebe.

Das Eingangsschild am Haupttor der Edelweiß-Kaserne: Anfang Februar nahm der Skandal um das Gebirgsjägerbataillon 233 seinen Anfang. Foto: dpa

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Gleichstellung von Frauen in der Bundeswehr

Seit 2001 dürfen Frauen in allen Bereichen der Bundeswehr dienen. Immerhin 16.495 Frauen haben im vergangenen Jahr in der Bundeswehr Dienst geleistet. Von dem im Gleichstellungsgesetz genannten Zielen ist die Bundeswehr damit noch immer ein gutes Stück entfernt. Schlimmer aber wiegt, dass Frauen vielen männlichen Offizieren offenbar als Menschen zweiter Klasse gelten. "Leider bleiben Vorfälle, die antiquierte und mit Vorurteilen belastete Anschauungen offenbaren, nach wie vor nicht aus", sagte Robbe bei der Pressekonferenz. Ein drastisches Beispiel findet sich in seinem Bericht. Bei einer Besprechung unterbrach ein Hauptfeldwebel den weiblichen Oberfeldwebel mit den Worten: "... seit wann richte ich mich nach ihr, die hat ja einen Schlitz."

Frauen kämpfen für die Bundeswehr auch in Afghanistan: Eine Soldatin steht nach ihrer Rückkehr vom Auslandseinsatz während eines feierlichen Appells in der Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne in Hagenow in der Paradeaufstellung. Foto: dpa

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Sexuelle Belästigung

Im schlimmsten Fall bleibt es nicht verbalen Verfehlungen. Robbes Bericht belegt, dass Soldatinnen der Bundeswehr unverändert über sexuelle Belästigung klagen. Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 83 dienstliche Meldungen über strafrechtlich relevante Verstöße von Soldaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Auch wegen Homosexualität werden Soldaten und Soldatinnen diskriminiert. Nach geltender Rechtslage ist jede Benachteiligung von homosexuellen Soldatinnen und Soldaten untersagt. Doch faktisch könne eine Benachteiligung nicht ausgeschlossen werden, erklärte der Wehrbeauftragte.

Eine Soldatin unter Männern - hier auf dem Marktplatz in Ellwangen zum öffentlichen Appell für den Einsatz in Afghanistan. Foto: ddp

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