Verfassungsschutzbericht:Seehofer: Müssen uns vor Extremisten aus vielen Bereichen schützen

Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2017

Innenminister Seehofer (rechts) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts.

(Foto: dpa)
  • Bundesinnenminister Seehofer präsentierte den jährlichen Verfassungsschutzbericht.
  • Vor allem "Reichsbürger" haben demnach starken Zulauf, auch die Zahl linksextremistischer Gewalttaten ist angestiegen.
  • Besorgniserregend seien außerdem antisemitische Entwicklungen in Deutschland, so Seehofer.

"Reichsbürger" und "Selbstverwalter" haben starken Zulauf und sind zum Teil zu "schwersten Gewalttaten" bereit. Inzwischen würden etwa 16 500 Personen, darunter 900 Rechtsextremisten, dieser Szene zugerechnet. Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Im Vorjahr waren es etwa 4000 Menschen weniger. Das geht aus dem "Verfassungsschutzbericht 2017" hervor, den Bundesinnenminister Horst Seehofer zusammen mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, an diesem Dienstag präsentierte.

Der Bericht zeige, "dass wir uns vor Extremisten aus unterschiedlichsten Bereichen schützen müssen", sagte Seehofer bei der Präsentation, aber auch, "dass wir uns schützen können". Er nannte einen Anstieg linksextremistischer Gewalttaten von 37 Prozent im vergangenen Jahr. Unter Rechtsextremisten sei die Gewaltbereitschaft unverändert hoch, wenngleich die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten um neun Prozent gesunken sei.

Seehofer zählte außerdem 774 islamistische Gefährder sowie besorgniserregende antisemitische Entwicklungen in Deutschland auf. "Die Aufgaben im Jahr 2018 sind nicht weniger geworden", so Seehofer. Der Verfassungsschutzbericht lag schon seit einigen Wochen vor. Dass er erst jetzt veröffentlicht wurde, hat mit dem Asylstreit innerhalb der Union zu tun, der zuletzt Seehofers Aufmerksamkeit gefordert hatte.

In der "Reichsbürger"- und "Selbstverwalter"-Szene sind dem Verfassungsschutz zufolge drei Viertel der Mitglieder männlich und älter als 40 Jahre. Beide Gruppen lehnen das Rechtssystem hierzulande ab und weigern sich oftmals, Steuern oder Bußgelder zu zahlen. Die Mitglieder würden daher vom Verfassungsschutz aktuell als "staatsfeindlich und extremistisch" eingestuft, heißt es. Die Szene sei laut Verfassungsschutz von einer hohen Militanz geprägt und beweise dabei neben ihrer "verbalen Aggressivität" auch eine "hohe Affinität zu Waffen."

Gefahr auch durch Rechts- und Linksextremisten

Die Zahl der rechtsextremen Gewalttaten ist 2017 zwar leicht zurückgegangen. Es ist allerdings ein Rückgang auf sehr hohem Niveau, von 1600 auf etwa 1050 Fälle. Problematisch sei vor allem, dass Rechtsextremisten immer häufiger unstrukturiert auftreten, also keine typische rechtsextreme Karriere hinter sich hätten und den Behörden oft nicht einschlägig bekannt seien, sagte Seehofer. Rechtsextremistische Täter radikalisierten sich häufig in kürzester Zeit.

Dass zuletzt die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten zugenommen hat, hängt vor allem mit dem G-20-Gipfel zusammen, der im vergangenen Juli in Hamburg stattgefunden hat. Bei Zusammenstößen zwischen teilweise gewaltbereiten Demonstranten und der Polizei verletzten sich damals 230 Beamte, sagte Seehofer und ergänzte: "Diese Gewaltbereitschaft ist alarmierend."

Die Zahl der islamistischen Gefährder liegt laut Bericht derzeit bei etwa 770. Das seien "so viele Personen wie nie zuvor, denen wir die Begehung schwerer Straftaten zutrauen", sagte Seehofer. Es sei ein überlegenswerter Vorschlag, so der Innenminister, dass der Bund die Abschiebung von Gefährdern anstelle der Länder übernehme.

Zur SZ-Startseite
Deutsches Reich Reisepass

Rechtsradikalismus
:Undercover bei "Reichsbürgern"

Tobias Ginsburg recherchierte in der "Reichsbürgerszene". Er traf Neonazis und saß mit Esoterikern und Verschwörungstheoretikern am Lagerfeuer. Hinter abstrusen Ideen und Ängsten entdeckte er die Menschen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: