Süddeutsche Zeitung

Konflikt um Bergkarabach:Mindestens 20 Tote bei Angriff auf Stadt in Aserbaidschan

Ein aserbaidschanischer Präsidentenberater spricht von einem "Kriegsverbrechen". Armenien weist das als "Lüge" zurück.

Im blutigen Konflikt um die Südkaukasusregion Bergkarabach sollen bei armenischen Angriffen auf die aserbaidschanische Stadt Barda (Bərdə) mindestens 20 Menschen getötet worden sein. Zuvor war von 14 Toten die Rede. Mehr als 40 Menschen wurden verletzt, wie die Generalstaatsanwaltschaft in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku am Mittwoch mitteilte.

Der aserbaidschanische Präsidentenberater Hikmet Hajiyev warf Armenien den Einsatz von international geächteter Streumunition vor. Er sprach von einem Kriegsverbrechen. Die Sprecherin des armenischen Verteidigungsministeriums, Schuschan Stepanjan, wies das als "Lüge" zurück. Tatsächlich gibt es Berichte von den Organisationen Human Rights Watch und Amnesty International, wonach Aserbaidschan selbst schon Streumunition eingesetzt haben soll. Armenien und Aserbaidschan gaben sich gegenseitig die Schuld am Bruch der Waffenruhe.

Insgesamt mehr als 1000 Tote

Den Meldungen zufolge stieg die gemeldete Zahl der insgesamt auf aserbaidschanischer Seite getöteten Zivilisten auf 83. Zu den Verlusten unter Soldaten macht Aserbaidschan mit Blick auf das verhängte Kriegsrecht und Zensurbestimmungen keine Angaben. Die Zahl der getöteten armenischen Soldaten stieg um 59 auf 1068. Zudem starben in dem Konflikt bisher 40 Zivilisten.

Zuvor hatte Armenien Aserbaidschan den massiven Beschuss von Ortschaften in Bergkarabach vorgeworfen. So seien die Stadt Schuschi und die Hauptstadt Stepanakert beschossen worden. Auch eine Geburtsklinik in Stepanakert sei schwer getroffen worden. Die Kampfhandlungen dauerten ungeachtet der von beiden Ländern vereinbarten Feuerpause an.

Am Dienstag hatte US-Außenminister Mike Pompeo bei separaten Telefonaten mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew und dem armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan noch einmal gefordert, die Kampfhandlungen einzustellen und über eine diplomatische Lösung der Krise zu verhandeln.

Unter Vermittlung der USA war am Montag eine neue Waffenruhe in Kraft getreten, die prompt gebrochen wurde, so wie schon zuvor zwei unter russischer Vermittlung getroffene Vereinbarungen. Der Konflikt ist bereits jahrzehntealt. Aserbaidschan hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren die Kontrolle über das Gebiet mit etwa 145 000 Bewohnern verloren. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe.

Die Region wird von Armenien beziehungsweise der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach (Arzach) kontrolliert, gehört aber völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan, das sich in dem Konflikt auf seinen "Bruderstaat" Türkei stützen kann. Russland ist Schutzmacht Armeniens.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels wurde im Titel fälschlicherweise über einen Angriff auf Bergkarabach geschrieben. Die angegriffene Stadt liegt jedoch im aserbaidschanischen Kernland. Des Weiteren wurde lediglich die Information der Presseagentur übernommen, wonach der aserbaidschanische Präsidentenberater den Einsatz von Streumunition durch Armenien kritisierte. Es fehlte der Hinweis, dass Aserbaidschans Armee ebenfalls vorgeworfen wird, diese geächtete Munition verwendet zu haben.

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