Süddeutsche Zeitung

Berater-Affäre bei der Bundeswehr:"Wir brauchten Hilfe von außen"

  • Die frühere Ministerin und jetzige EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen muss im Untersuchungsausschuss zur Berater-Affäre der Bundeswehr Stellung nehmen.
  • Von der Leyens Auftritt bildet den Höhepunkt der Beweisaufnahme. Sie ist die letzte Zeugin.
  • Der Ausschuss hat offengelegt, wie eng Unternehmensberater und Spitzenbeamte mitunter im Verteidigungsministerium verbunden waren.

Von Mike Szymanski, Berlin

Wer hätte gedacht, dass der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), die Frau, die er gleich vernehmen wird, einmal als "Frau Präsidentin" ansprechen würde. Es ist Ursula von der Leyen, CDU-Politikerin und EU-Kommissionspräsidentin. Hellmich kennt sie besser als Verteidigungsministerin, als sie noch im Verteidigungsausschuss zusammensaßen. Da haben sie ums Geld für große Rüstungsprojekte gerungen. Alte Zeiten.

In von der Leyens Zeit als Ministerin fallen rechtswidrige Auftragsvergaben an externe Berater. Rechnungsprüfer hatten aufgedeckt, wie locker Millionen-Aufträge zu der Zeit vergeben wurden. Daraus wurde die "Berater-Affäre", welche die beiden nun in diesem Sitzungssaal wieder zusammenführt.

Während sich Hellmich und die anderen Parlamentarier im vergangenen Jahr durch Tausende Aktenordner wühlten, machte von der Leyen noch einmal einen bemerkenswerten Karriereschritt. Sie rückte im Sommer 2019 überraschend an die Spitze der EU-Kommission. Es ist nicht einfach, als Ressortchef überhaupt einen U-Ausschuss politisch zu überstehen. In dieser Zeit aufzusteigen: Das ist schon eine kleine Sensation. "Frau Präsidentin, ich darf mich höflich für Ihr Erscheinen bedanken", sagt Hellmich. So viel Zeit muss sein.

Von der Leyens Auftritt bildet den Höhepunkt der Beweisaufnahme. Sie ist die letzte Zeugin. Heute soll es um ihre Verantwortung gehen, um die Frage, was sie über die fragwürdigen Vorgänge wusste.

Der Ausschuss hat offengelegt, was schiefging. Wie eng Unternehmensberater und Spitzenbeamte mitunter im Haus verbunden waren: Generäle und Berater trafen sich auf Privatfeiern. Von der Leyens Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder, Ex-McKinsey-Managerin, fuhr mit dem befreundeten Manager eines Beratungskonzerns, der die Bundeswehr zu einem zentralen Kunden ausbauen wollte, in den Urlaub. Ein Freundeskreis war mit wichtigen Rüstungsvorhaben befasst. Die Abgeordneten haben viele Fragen.

Aber erst einmal hat die Ex-Ministerin das Wort. Sie holt aus und geht zurück in die Zeit, als sie das Haus übernahm. Es sei ihr wichtig, noch einmal "den Kontext herzustellen". Denn daran hält sie weiterhin fest: "Ich bin der Meinung, wir brauchten Hilfe von außen."

Nachdem von der Leyen 2013 ins Amt kam, änderte sich die Lage in der Welt rasant. Bis dahin war die Bundeswehr darauf getrimmt, zu schrumpfen. "Das oberste Gebot war, Standorte zu schließen und Personal abzubauen", erzählt sie. Dann annektierte Russland die Krim, es kam zum Krieg in der Ukraine und deutsche Soldaten zogen in den weltweiten Anti-Terror-Kampf. Der IS hatte angefangen, auch in Europa zu wüten.

Von der Leyen lässt nicht in das Dickicht der Versäumnisse führen

Wenn sie damals im Verteidigungsausschuss gefragt wurde, wie es um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr bestellt gewesen sei, hätten ihre Leute erst einmal in den Kasernen rumgehen müssen, um die funktionierenden Panzer zu zählen. Damals habe man noch nicht "auf einen Knopf drücken" können, um diese Informationen zu erhalten. Aber das sei unter ihr anders geworden. Wie auch die Bundeswehr dann wieder anfing zu wachsen.

Von der Leyen kommt von sich aus auf die Versäumnisse zu sprechen. "Ärgerlich", nennt sie es, dass es zu den Vergabeverstößen kam. Sie zählt auf, wie eine neue Dienstvorschrift erlassen, die Kontrolle verstärkt und Mitarbeiter geschult worden seien. Sie verteidigt ihre Vertraute Suder, mit "Bravour und Brillanz" habe diese ihren Job gemacht.

Im Ausschuss lässt sie sich nicht in das Dickicht der Versäumnisse führen. Als die SPD-Abgeordnete Siemtje Möller schildert, wie aus ihrer Sicht Berater zum Zuge kamen, weil sich das bestimmte Leute im Haus so "gewünscht" hätten, wird von der Leyen schroff. "Ich teile Ihre Beurteilung nicht", sagt sie. Wünsche? Nein, Vergaben. Fragen dazu mögen bitteschön die Beteiligten beantworten. Vieles sei "unterhalb ihrer Ebene" geschehen. Wer wen kannte? Für sie nicht so wichtig.

Die Abgeordneten tun sich schwer, von der Leyen zu packen zu bekommen. Sie hatten sich empört, dass von ihrer SMS-Kommunikation nichts erhalten geblieben ist. Die Ministerin hatte zwei Telefone - die Dateien des einen löschte das Ministerium, auf dem anderen löschte die damalige Ministerin die Nachrichten. Es lag in ihren Händen zu beurteilen, ob die Nachrichten für den Ausschuss relevant seien. Sie habe das nach "bestem Wissen und Gewissen" geprüft, und: "Nichts dabei gewesen."

Der Ausschuss geht zu Ende. Immer noch fehlt der durchschlagende Beleg, dass es zu Vetternwirtschaft kam.

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SZ vom 14.02.2020/gal
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