Süddeutsche Zeitung

Benzinsteuer:Warum Schäuble eine Sonderabgabe für Flüchtlinge vorschlägt

  • In einem SZ-Interview regte Finanzminister Wolfgang Schäuble kürzlich eine Benzin-Abgabe an, um Maßnahmen in der Flüchtlingskrise zu finanzieren.
  • Gegen den Vorschlag gab es heftigen Widerstand.
  • Hinter dem Vorschlag könnte der Versuch stecken, eine gemeinsame europäische Finanzierung der Flüchtlingskrise zu organisieren.

Von Cerstin Gammelin

Es hat nur ein paar Stunden gedauert. Dann war der Vorschlag schon wieder vom Tisch. Kaum hatte Wolfgang Schäuble, von Amts wegen für die Finanzen der Bundesrepublik zuständig, per Interview in der Süddeutschen Zeitung eine Abgabe auf jeden Liter Benzin vorgeschlagen, um so europäische Maßnahmen in der Flüchtlingskrise zu finanzieren, formierte sich die Ablehnungsfront - von seiner eigenen Partei, der CDU, über die SPD, die Linkspartei bis hin zum Autofahrerklub. "Eine zusätzliche Benzinsteuer wird es in Deutschland nicht geben", erklärte CDU-Vize Julia Klöckner noch am Samstag. Sie habe mit Schäuble sowie der Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel telefoniert.

Tatsächlich hatte Merkel schon Mitte Oktober 2015 erklärt, es werde "definitiv" weder einen Soli noch Steuererhöhungen geben wegen der Flüchtlinge. Damals war bekannt geworden, dass Schäuble mit Vertrauten in der Europäischen Kommission eine europaweite Abgabe zur Finanzierung der Flüchtlingskrise, eine Art EU-Flüchtlings-Soli, diskutiert hatte.

Warum aber holt Schäuble die Benzinabgabe trotz des Merkel-Vetos jetzt wieder hervor? Dafür sprechen ein paar Überlegungen: Wer wie er oder die Kanzlerin ununterbrochen darauf hinweist, dass die Flüchtlingskrise eine gesamteuropäische ist, muss auch ein europäisches Finanzkonzept vorlegen. Das ist umso dringlicher, weil davon auszugehen ist, dass die Flüchtlinge weiter nach Europa strömen werden.

Folgenlos wird der Vorstoß wohl nicht bleiben

Vor diesem Hintergrund liest sich Schäubles Vorschlag, in der EU eine Abgabe auf jeden Liter Benzin einzuführen, wie der Versuch, eine gemeinsame europäische Finanzierung der Flüchtlingskrise zu organisieren. Der Minister will, dass der Betrieb der Hotspots, die Kontrolle der europäischen Außengrenzen und die Hilfen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Flüchtenden gemeinsam von allen 28 Mitgliedsländern bezahlt werden. Und eben nicht nur aus den Milliardenüberschüssen des deutschen Bundeshaushaltes.

Alles erinnert ein wenig an Entwicklungen während der Euro-Krise. Zunächst weigerten sich ausnahmslos alle Euro-Länder, die mit Geldnöten ringende Regierung in Athen zu unterstützen. Ein paar Monate später gab es bilaterale Kredite, weil sich in den Hauptstädten die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass das griechische Problem sich zu einem der gesamten Währungsunion auswuchs. Die 19 Euro-Länder gründeten schließlich einen gemeinsamen Euro-Rettungsfonds, bei dem klamme Länder jetzt notfalls Kredite beantragen können.

Zur Wahrheit gehört auch, dass Schäuble die europäische Benzinabgabe zwar in der Sache für durchaus sinnvoll hält, nicht zuletzt, weil sie dafür sorgen würde, dass der EU-Haushalt erstmals über eine gemeinsame Abgabe gefüllt würde. Es wäre in den Augen Schäubles ein riesiger Schritt, um Europa zusammenzuhalten. Zugleich ist er Realist genug, um zu wissen, dass diese europaweite Abgabe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals beschlossen werden wird. Steuern und Abgaben müssen in Europa einstimmig gebilligt werden - was so gut wie nie gelingt. Das jüngste Beispiel für vergebliches Mühen ist die gescheiterte Einführung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer, also einer Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte. Die Steuer wurde trotz der dramatischen Finanzkrise nicht durchgesetzt. Schäubles Vorschlag zur Benzinabgabe dürfte also nicht dazu führen, dass Europas Autofahrer mehr für den Sprit zahlen müssen.

Die Abgabe ist auch eine Aufforderung an klamme EU-Länder

Folgenlos dürfte der Vorschlag dennoch nicht bleiben. Schäuble hat die Abgabe vielmehr auch deshalb vorgeschlagen, um die Verhandlungsposition der Bundesregierung im Ringen um eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik zu verbessern. Merkel dringt auf gemeinsame Schritte - Schäuble zählt nun das EU-Finanzierungskonzept dazu. Das nächste Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs findet Mitte Februar statt. Gibt es wieder keine Einigung, hätte die Bundesregierung einen gewichtigen Grund mehr, unter Verweis auf mangelnde europäische Solidarität die deutschen Grenzen dichtzumachen.

Genau genommen hat Schäuble im SZ-Interview selbst ausgeschlossen, dass deutsche Autofahrer demnächst für Flüchtlinge zahlen müssen. Der Finanzminister würde die Benzinabgabe nur einführen wollen, "wenn die Mittel in den nationalen Haushalten und dem europäischen Haushalt nicht ausreichen". Ein paar Sätze zuvor sagt er, dass Deutschland derzeit genug Geld im Haushalt hat. Dass es in diesem und im nächsten Jahr, wenn möglich, keine neue Schulden geben soll. Die Abgabe ist damit auch eine Aufforderung an jene EU-Länder, die finanziell klamm sind und sich wegen der Flüchtlingskrise zusätzlich Geld beschaffen müssen. Der Jurist Schäuble weiß: Die EU-Verträge sehen bei gemeinsamen Steuern vor, dass alle einverstanden sind. Aber jeder Regierung steht es doch frei, eine nationale Benzinabgabe zu erheben. Oder?

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2821923
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.01.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.