Süddeutsche Zeitung

Raubkunst:British Museum will 900 Benin-Bronzen behalten

Sammlungen auf der ganzen Welt geben ihre Beutekunst zurück, nur das weltberühmte Museum in London sperrt sich - immer noch.

Von Bernd Dörries

In einem grünen Hinterhof in Benin-Stadt in Nigeria steht eine große Tafel aus Bronze an einen Holzzaun gelehnt, zwei mal zwei Meter ist sie groß und zeigt die Geschichte des Königreichs Benin im heutigen Nigeria, in Teilen zumindest: seine Könige und Symbole. Seit dem 16. Jahrhundert gießen die Handwerker und Zünfte hier solche Reliefs und Büsten, die zu den großen Kunstschätzen der Welt gehören. Die Tafel ist ganz neu, sie wurde als Tauschobjekt gegossen und 2021 dem British Museum in London angeboten. Im Gegenzug sollte das Haus seine etwa 900 Benin-Bronzen zurückgeben, die das britische Empire 1897 bei einem Überfall auf das Königreich in Westafrika geraubt hatte. Das Museum zeigte kein Interesse.

"Es gibt einfach keine moralische Rechtfertigung für die Beschlagnahmung afrikanischer Artefakte in westlichen Museen. Es wird die Zeit brauchen, die es braucht, aber die Bewegung lässt sich nicht aufhalten", sagte Achille Mbembe, der große Philosoph aus Kamerun, noch 2021. Er konnte sich wohl damals selbst nicht vorstellen, wie schnell sich die Zeit ändert. Kaum eine Woche vergeht derzeit, in der nicht die Rückgabe von Kunstwerken nach Afrika verkündet wird: Vor wenigen Tagen beschloss die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Rückübereignung von 512 Benin-Bronzen an Nigeria. Aus Aberdeen, Oxford, Washington, den Niederlanden und Frankreich kommen Kunstwerke zurück. Nur eine Institution bewegt sich nicht: das vom Deutschen Hartwig Fischer geleitete British Museum. Die Griechen wünschen sich seit dem 19. Jahrhundert die "Parthenon Marbles" zurück, Marmorfiguren, die aus der Akropolis stammen. Das Königreich Benin fordert seit fast hundert Jahren die Rückgabe von 900 Benin-Bronzen. Aber nichts passiert.

In Museen und Institutionen auf der ganzen Welt hat sich in den vergangenen Jahren ein Bewusstseinswandel im Umgang mit kolonialer Beutekunst vollzogen, nicht ganz so in Großbritannien, Restitution ist kein populäres Thema, das Parlament müsste womöglich zustimmen. Auch der deutsche Direktor Fischer hat kein Interesse, daran etwas zu ändern. Dass die "Parthenon Marbles" nun in London stehen und nicht mehr in Athen, nannte er einen "kreativen Akt". Im Jahr 2018 besuchte er den König von Benin, der ihn zum wiederholten Mal zur Rückgabe der Kunstschätze seiner Vorfahren aufforderte. Fischer versprach lediglich, sich für neue Formen der Zusammenarbeit einzusetzen. Heraus kam eine Spende über vier Millionen US-Dollar für Ausgrabungen in Benin-Stadt. Das Geld dafür stammt womöglich nicht aus dem Etat des Museums, sondern von einer Kunstmäzenin aus dem Rheinland, mit der Fischer befreundet ist. Man äußere sich nicht zu individuellen Spendern, teilt das Museum mit. Fischer selbst ist nicht zu sprechen, er weicht Fragen nach der Beutekunst in seinem Museum seit Jahren aus. Vielleicht weil er weiß, dass seine Ansichten nur noch schwer in die Zeit passen. "Inwieweit können moderne Nationalstaaten Anspruch auf historische Objekte erheben, die vor den heutigen nationalen Abgrenzungen entstanden sind?", fragte er in einem Aufsatz. Aus dieser Sicht hätte das heutige Nigeria das Pech, von den Briten zu einem Nationalstaat gemacht worden zu sein, den es davor nicht gab. Bei seinen Kollegen in Deutschland trifft Fischer auf wenig Verständnis. Der Wandel lasse sich nicht aufhalten, sagt Lars-Christian Koch, der Direktor des Ethnologischen Museums in Berlin. "Das British Museum wird sich äußern müssen."

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