Süddeutsche Zeitung

Benedikt XVI. in den USA:Der Papst als Völkerrechtler

Appell für Frieden und Gerechtigkeit: Vor den Vereinten Nationen fordert der Papst mehr Engagement der internationalen Gemeinschaft, wenn die Regierungen beim Menschenrechtsschutz versagen.

Stefan Ulrich

Die ersten Tage seiner Amerika-Fahrt hat Benedikt XVI. als Papst verbracht. Durch seine heilende Begegnung mit Missbrauchsopfern in Washington zeigte er, dass er nicht nur ein herausragender Denker, sondern auch ein großer Seelsorger sein kann.

Am Freitag in New York nahm Benedikt dann die Rolle des Professors ein. Vor den Vereinten Nationen hielt er eine Vorlesung zum Thema Menschenrechte, die dicht, aber in weiten Passagen allzu abstrakt ausfiel. Wer sich eine griffige Auseinandersetzung mit den Problemen der Globalisierung erhoffte, mit der Kluft zwischen armen und reichen Staaten und dem Hunger vieler Menschen etwa, der wurde enttäuscht.

Die Pointe der Rede aber wird in Erinnerung bleiben: Professor Papst stellt sich hinter jenen Teil der Völkerrechtler, die der Souveränität der Staaten strikte Grenzen setzen. Benedikt zufolge ist es höchste Aufgabe der Staaten, die Bürger vor schweren Verletzungen der Menschenrechte zu schützen.

Versagen die Regierungen, darf die internationale Gemeinschaft nicht nur einschreiten - sie muss. Rechtfertigt der Pontifex so "humanitäre Interventionen" wie den Kosovo-Krieg? Benedikt sagt dazu nichts. Er verweist auf das Völkerrecht - und das lässt sich so oder so auslegen.

Kern seiner Rede aber ist: Die Menschenrechte haben ihren Ursprung in Gott. Sie genießen eine Art Ewigkeitsgarantie, das heißt, sie gelten für alle Kulturen zu allen Zeiten. Konkret wird der Papst auch hier nicht, ausdrücklich redet er keiner Regierung ins Gewissen.

Trotzdem sollte die Botschaft klar geworden sein: Ein Anti-Terror-Kampf à la Guantanamo und eine Demonstration der Staatsmacht wie in Tibet missachten die gottgegebenen Rechte der Menschen.

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SZ vom 19.04.2008/aho
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