Pakistan:Terror in der Trutzburg

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Angehörige trauern am Grab eines Opfers des Anschlags in Quetta. (Foto: Arshad Butt/AP)

Der tödliche Bombenanschlag in Quetta sollte offenbar eine chinesische Delegation treffen. Die Gewalt macht deutlich, wie riskant Pekings Projekt der Neuen Seidenstraße in Belutschistan ist.

Von Arne Perras, München

Den Gästen des Serena-Hotels im pakistanischen Quetta dürfte es gewöhnlich an nichts fehlen, die Liste der angepriesenen Annehmlichkeiten reicht von einer Executive Lounge mit Butler-Service über Squash und Tenniscourts bis hin zu diversen Restaurants mit einheimischer, aber auch chinesischer Küche. Daran erkennt man schon, wer hier aus und ein geht.

Peking baut in der Provinz Belutschistan seine Neue Seidenstraße aus. Durch diese dünn besiedelte, aber notorisch unsichere Gegend führt eine der wichtigsten Routen: der Korridor quer durch Pakistan bis zum Indischen Ozean. Das Serena wird von chinesischen Unternehmern, Ingenieuren und Diplomaten geschätzt, schwer bewacht von der pakistanischen Armee.

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Gleichwohl gelang es dem pakistanischen Staat in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag nicht, die Trutzburg Serena zu schützen. Ein tödlicher Bombenschlag zerriss die künstlich geschaffene Idylle der Luxusunterkunft, mehrere Menschen starben, als ein großer Sprengsatz in einem Auto auf dem Hotelparkplatz explodierte. Alle Gäste seien unversehrt geblieben, hieß es in Berichten pakistanischer Zeitungen. Viele Opfer waren angeblich Sicherheitskräfte und Angestellte des Hotels.

Südasienexperte Michael Kugelman vom amerikanischen Wilson Center merkte an, dass das Serena als "einer der sichersten Orte in Quetta" galt. Aber er war nicht sicher genug, wie man nun weiß.

Der chinesische Botschafter war zur Zeit des Anschlags nicht im Hotel

Gebucht hatte das Serena in dieser Woche auch der chinesische Botschafter mit seinem Tross, er besucht gerade Belutschistan. Zur Zeit des Anschlags war er nicht im Hotel, sodass er der Gewalt entkam, wie Pakistans Innenminister Sheikh Rashid Ahmad bestätigte. Doch die Präsenz des chinesischen Diplomaten in Quetta beförderte Vermutungen, dass der Anschlag ihm gegolten habe.

Zum Anschlag bekannte sich die Terrorgruppe der pakistanischen Taliban (TTP), Ermittler erklärten dennoch, sie betrachteten die Tat "aus allen Blickwinkeln". Dass es ein gut geplanter Angriff mitten in einer großen Stadt war, deutete Kugelman als ein Indiz dafür, dass die TTP wieder auf dem Vormarsch sei. In den vergangenen Jahren war die Gruppe stark zersplittert und wurde durch US-Drohnen-Angriffe und die pakistanische Armee in die Defensive gedrängt.

Belutschistan grenzt an Afghanistan. Die dort ansässigen Taliban, die durch den militärischen Rückzug der Amerikaner nun noch mehr Raum und Selbstvertrauen gewinnen, stehen mit den pakistanischen Extremisten in Verbindung, sie haben früher teils Seite an Seite gekämpft, so entstanden weit verzweigte Netzwerke über die Grenze hinweg, wobei sich einzelne Allianzen auch rasch ändern können.

Als wahrscheinlich gilt, dass die TTP auch eigenständige Ziele verfolgt, sie unterstützt nicht nur ähnlich gesinnte Kräfte in Afghanistan, sondern will auch den pakistanischen Staat samt Armee zu Fall bringen. Wenn sie nun China als wichtigsten Partner Pakistans attackiert, so signalisiert die Gruppe, dass sie zurück ist und erneut die große Konfrontation mit dem Staat sucht.

Der Innenminister Pakistans erhob Vorwürfe, dass Kräfte aus dem Nachbarland der TTP helfen würden, sich neu zu organisieren. Premier Imran Khan erklärte, man habe im Kampf gegen den Terror schon viele Opfer gebracht. "Wir werden nicht zulassen, dass diese Plage erneut hochkommt", versprach er via Twitter. Allerdings trifft die Attacke das Land zu einer Zeit, in der landesweit radikale Islamisten die Regierung durch Massenproteste herausfordern, die Islamabad nur schwer unter Kontrolle bringt. Ein Aufflammen des innerpakistanischen Terrors würde den Premier noch stärker unter Druck bringen.

Belutschistan ist Arena für zahlreiche Milizen

Die pakistanischen Taliban allerdings sind nicht die einzige Gruppe, die bei einem Terroranschlag, wie er nun auf das Serena verübt wurde, unter Verdacht gerät. Denn Belutschistan ist Arena für zahlreiche bewaffneten Milizen. Vor zwei Jahren attackierten militante Separatisten aus Belutschistan das Luxushotel im Hafen Gwadar, den China als Tor in den Indischen Ozean ausbaut. Die Rebellen, die eine stärkere Autonomie oder gar die Unabhängigkeit für Belutschistan fordern, sehen die chinesischen Investitionen als Gefahr für ihre Bestrebungen oder wollen stärker davon profizieren. Sie sind für zahlreiche Attacken auf chinesische Arbeiter und Baustellen verantwortlich.

Der chinesische Botschafter "ist in guter Stimmung", versicherte die Regionalregierung, er werde seinen Besuch wie geplant zu Ende führen. Das sollte offenbar signalisieren, dass sich der Staat nicht erpressen lasse. Gleichwohl wird sich Peking wohl darauf einstellen müssen, dass es künftig noch stärkeren Schutz und Abschirmung für seine Investitionen in Belutschistan brauchen wird.

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