Süddeutsche Zeitung

Belgien:Anzeige gegen EU-Abgeordnete nach Rassismus-Vorwürfen

Pierrette Herzberger-Fofana hatte sich über einen rassistischen Übergriff von Brüssler Polizisten beklagt. Jetzt wurde sie selbst angezeigt: Die Politikerin habe sich "renitent" verhalten und den Beamten gedroht.

Von Thomas Kirchner

Gegen die deutsche EU-Abgeordnete Pierrette Herzberger-Fofana, die sich über rassistisch motiviertes Verhalten der belgischen Polizei ihr gegenüber beklagt hat, ist auf Bitten der Staatsanwaltschaft nun ihrerseits Anzeige wegen "Verleumdung" erstattet worden. Das bestätigte eine Sprecherin der Brüsseler Polizei der Zeitung De Standaard. In der Anzeige stehe auch, dass sich die Grünen-Politikerin "renitent" verhalten und "Drohungen" gegen Polizeibeamten ausgestoßen habe.

Die in Mali geborene Herzberger-Fofana hatte europaweit Aufsehen erregt, als sie sich im Plenum des Europäischen Parlaments, auf dem Höhepunkt der antirassistischen Proteste in den USA, über einen Vorfall am Brüsseler Nordbahnhof beschwerte. Dort habe sie neun Polizisten gesehen, die zwei schwarze Männer belästigt hätten, sagte sie. Als sie die Szene mit ihrem Telefon fotografiert habe, seien vier Polizisten auf sie zugegangen und hätten ihr das Handy aus der Hand genommen.

"Sie haben gewaltsam meine Handtasche weggenommen. Sie haben mich mit gespreizten Beinen an die Wand gepresst und durchsucht." Dass sie EU-Abgeordnete sei, habe ihr die Polizei trotz ihres Ausweises, ihres deutschen Passes und ihrer belgischen Aufenthaltsgenehmigung nicht geglaubt. Sie habe deshalb Anzeige erstattet. In ihrer Anzeige spricht sie von vorsätzlichen Verletzungen, erniedrigender Behandlung, Autoritätsmissbrauch und Rassismus. Parlamentskollegen äußerten sich bestürzt, die Polizei kündigte eine interne Untersuchung an und informierte die Staatsanwaltschaft.

Laut den Aussagen der Polizei waren die betroffenen Beamten auf der Suche nach mehreren Eritreern, die zuvor am Bahnhof einen Marokkaner mit einer Eisenstange niedergeschlagen und beraubt hätten. Sie seien von einem Ladenbesitzer gerufen worden, der als Zeuge gegen die Eritreer aussagen wollte, sich von diesen aber bedroht fühlte, weil sie vor seinem Geschäft standen. In diesem Moment sei die EU-Abgeordnete hinzugekommen. Sie sei sehr "barsch" aufgetreten, sagen die Beamten, habe sie "Diebe" und "Kriminelle" genannt, die nicht das Recht hätten, Schwarze zu kontrollieren. Weil immer mehr Menschen zusammenkamen, habe man die Papiere der 71-Jährigen überprüft, eine weibliche Kollegin habe sie abgetastet. "Alles, was wir behaupten, ist von Sicherheitskameras aufgezeichnet worden", zitiert De Standaard einen Beamten. "Wir sind uns unserer Sache sicher."

Herzberger-Fofanas Anwalt Alexis Deswaef wies die Aussagen der Polizei gegenüber der Zeitung zurück. Sie seien falsch. "Wir werden vor Gericht beweisen, dass wir die Wahrheit sagen." Es gebe auch einen Zeugen dafür, einen Professor für Menschenrechte von der Universität Gent. Die belgische Justiz wird nun klären müssen, welche Version des Vorfalls stimmt.

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