Belgien:In fast 500 Tagen ans Ziel

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Alexander De Croo von den flämischen Liberaldemokraten ist neuer Premier Belgiens und führt nun eine sogenannte Vivaldi-Koalition an.

(Foto: Thierry Roge/imago)

Sieben Parteien sind an der neuen Regierung in Brüssel beteiligt.

Von Andrea Bachstein

Belgien bekommt 16 Monate nach der Parlamentswahl wieder eine ordentliche Regierung, an diesem Donnerstag soll König Philippe den neuen Ministerpräsidenten Alexander De Croo und die übrigen Kabinettsmitglieder in ihre Ämter einführen. Fast 500 Tage dauerte es, bis am Mittwoch das Regierungsbündnis aus sieben Parteien in Brüssel stand - immerhin etwas schneller als nach der Wahl 2010, da mussten die elf Millionen Belgier 541 Tage warten. Grüne, Liberale und Sozialdemokraten aus den flämischen und wallonischen Regionen sowie die flämischen Christdemokraten sind nun Partner der "Vivaldi"-Koalition. Für die steht der italienische Komponist Pate, weil die Farben der Parteien, Grün, Rot, Orange und Blau, an die vier Jahreszeiten erinnern und seine bekannteste Komposition so heißt.

"Es ist Ausgangspunkt für eine neue Art des Politikmachens, mit mehr Pragmatismus, Zusammenarbeit und, vor allem, mehr Respekt", kündigte am Mittwoch der neue Regierungschef De Croo von den flämischen Liberaldemokraten Open VLD an. Die Regierung stehe vor "enormen Aufgaben", und "in den nächsten Jahren werden wir alle brauchen, um das Land am Laufen zu halten." Der 44-Jährige war seit 2012 Vize-Premier, zuletzt in der geschäftsführenden Minderheitsregierung von Sophie Wilmès, deren Finanzminister er auch war. Paul Magnette, Chef der wallonischen Sozialdemokraten, der selbst als Premier im Gespräch war, nannte De Croo eine "ausgezeichnete Wahl". Magnette räumte ein, man habe "in den letzten 16 Monaten nicht immer ein gutes Beispiel gegeben".

Regierungsbildungen dauern in Belgien stets länger als in anderen Ländern wegen der Interessen der Sprachlager. Nach der Wahl im Mai 2019 war die Lage noch komplizierter, weil Parteien am rechten und linken Rand erstarkten: Im französischsprachigen Süden gewannen die Sozialisten, im Norden wurden die flämischen Nationalisten der N-VA mit 16 Prozent stärkste Kraft, der rechtsextreme Vlaams Belang erzielte zwölf Prozent. Da diese Rechtsparteien nicht mitregieren, repräsentieren die flämischen Koalitionspartner nun weniger als die Hälfte der Wähler ihrer Region. In Flandern führte das schon zu Protest gegen die Vivaldi-Koalition.

Zuletzt stritten die Beteiligten aber vor allem über das Geld, das ihnen bis zur Wahl 2024 zur Verfügung steht. 24 Stunden dauerte die letzte Runde. Am Ende standen elf Milliarden Euro für Zusatzausgaben, etwa für das von der Corona-Epidemie belastete Gesundheitswesen, auch auf Reformen von Steuern und Arbeitsmarkt einigte man sich. Dass Corona Belgien hart trifft, zeichnet auch den Auftakt von Vivaldi: Zur ersten Debatte und Abstimmung über die Koalition begeben sich die Abgeordneten nicht in den Palast der Nation, sondern ins Europaparlament, wo sich mehr Abstand halten lässt.

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