Belgien:Flamen in Wallung

In Belgien ist der Streit mit den Wallonen neu ausgebrochen. Die Nationalisten fordern die Trennung des Eisenbahnnetzes.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Um den flämischen Separatismus war es eine Weile relativ ruhig. Das lag zum einen daran, dass die Neue Flämische Allianz (N-VA) ein Stillhalteversprechen abgegeben hat. Bis zu den Wahlen 2019 will die stärkste Partei Belgiens, die vehement für eine Abspaltung des flämischen vom frankofonen Teil des Landes kämpft, das Thema Unabhängigkeit eigentlich offiziell ruhen lassen. Zudem hat sie sich, zusammen mit zwei weiteren flämischen Parteien und den frankofonen Liberalen 2014 in die Regierungskoalition auf Bundesebene begeben und trägt so zumindest vorübergehend eine gewisse Verantwortung für den Staat als ganzes.

Und dann gab es in jüngster Zeit wahrlich andere Sorgen, etwa die Wirtschaftskrise und die Terror-Angst, die nach den Pariser Anschlägen auch in Brüssel um sich griff. Angesichts der Vorwürfe, die aus dem Ausland gegen den mutmaßlich "dysfunktionalen" Staat in Mitteleuropa gerichtet wurden, rückten die Belgier dann doch ein wenig zusammen.

Damit scheint es nun vorbei zu sein. Gleich zu Jahresbeginn schoss der charismatische N-VA-Vorsitzende Bart De Wever eine Breitseite gegen den Süden ab, indem er eine Aufspaltung des Eisenbahnnetzes forderte. Anlass war einer dieser häufig vorkommenden Streiks, der wieder einmal das ganze Land zwei Tage lang fast lahmlegte und auch einige Verbindungen nach Deutschland betraf. Getragen wurde der Ausstand allerdings nur von den Kollegen aus der Wallonie. De Wevers Vorschlag: zwei Unternehmen zu schaffen, oder wenigstens das Netz zu trennen. Dann würden Züge nur noch zwischen flämischen sowie zwischen wallonischen Städten verkehren.

Fachleute des Verkehrsministeriums bemühten sich sofort zu erklären, dass ein solcher Schnitt technisch kaum umsetzbar sei, da man das Netz wie einen Stern geschaffen habe, mit Brüssel als Mittelpunkt. De Wever weiß zwar, dass seine Idee in einem kleinen Land wie Belgien angesichts der hohen Fixkosten für den Schienentransport als absurd erscheinen muss. Aber es geht ihm, wie immer, um den Nachweis, wie rückständig und ineffizient der südliche Landesteil angeblich ist.

Eine flämische Ministerin hofft, dass es 2025 endlich vorbei sei mit dem Land Belgien

In der Zentralregierung hat De Wever selber kein Amt. Dort setzte er jedoch Vertraute an wichtige Stellen, etwa Verteidigungsminister Steven Vandeput, den wegen seiner harten Asylpolitik umstrittenen Migrationsstaatssekretär Theo Francken sowie Innenminister Jan Jambon, der versprach, in der berüchtigten Brüsseler Stadtgemeinde Molenbeek "aufzuräumen". De Wever, ein konservativer Nationalist, der häufig populistisch agiert, zieht die Strippen von Antwerpen aus. Die Diamantenstadt führt er seit 2013 als Bürgermeister, kämpft mit harten Maßnahmen gegen Kleinkriminelle und geht auch gegen radikale Islamisten vor. Immer wieder meldet er sich von dort markig zu Wort, etwa wenn er fordert, Europa müsse dringend seine Grenzen dicht machen. Über die Jahre hat er es geschafft, die Rechtsaußen-Konkurrenz zu neutralisieren. Der früher starke Vlaams Belang spielt kaum noch eine Rolle in der belgischen Politik.

Gleichzeitig versucht De Wever den Staatsmann zu spielen und betont seine Vertrautheit mit europäischen Spitzenpolitikern wie David Cameron, den er neulich in London besuchte, und Nicolas Sarkozy, der ihm vergangene Woche in Antwerpen die Ehre gab. Ein weiterer Coup gelang De Wever, indem er Belgiens Diplomaten, die sich gerade in der Heimat aufhalten, nach Antwerpen einlud, was wiederum wallonische Politiker in Rage versetzte. Zur Beruhigung hat nun auch die Stadt Brüssel eine Einladung ausgesprochen.

De Wevers Vertraute machen derweil klar, um was es eigentlich geht. Gefragt nach der Zukunft ihres Landes, drückte Liesbeth Homans, Ministerin in der flämischen Regionalregierung, ihre Hoffnung aus, dass es 2025 endlich vorbei sei mit Belgien. Jan Jambon wiederum wurde mit der Bemerkung zitiert, im Falle einer Unabhängigkeit Kataloniens werde er sich für eine Anerkennung als Staat einsetzen. Dafür nehme er sogar eine Regierungskrise in Brüssel in Kauf.

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