Belarus:Willkommener Schlag

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Vor der Präsidentenwahl werden Dutzende russische Söldner festgenommen. Dem amtierenden Lukaschenko kommt dieser Vorfall nicht gerade ungelegen.

Von Frank Nienhuysen, München

Die Leitung des Erholungshotels schöpfte Verdacht: Junge russische Männer, die keinen Alkohol trinken, nicht ausgehen, militärähnliche Klamotten tragen und auch noch "aufmerksam die Umgebung erkunden". Dies sei "nicht charakteristisch für russische Touristen". Es war eine Einschätzung mit spektakulären Folgen. Am Mittwoch nahmen Sicherheitskräfte in Belarus (Weißrussland, siehe Kasten unten) in der Nähe von Minsk 33 Menschen fest, die nach Angaben des belarussischen Geheimdienstchefs Kämpfer der privaten russischen Söldnergruppe Wagner sein sollen. Am Donnerstag erklärte der Leiter des belarussischen Sicherheitsrates, Andrej Rawkow, die Festgenommenen würden der Vorbereitungen von Massenunruhen verdächtigt. Bis zu 200 weitere Kämpfer würden sich noch in Belarus aufhalten, nach ihnen werde gesucht.

Lukaschenko verharmloste die Pandemie und sorgte damit für Unverständnis in der Bevölkerung

Eineinhalb Wochen vor der Präsidentenwahl verschärft sich die Lage, womöglich auch mit dem Nachbarn Russland. Präsident Alexander Lukaschenko, der am 9. August zum sechsten Mal gewählt werden will und sich gegen sinkende Beliebtheitswerte stemmt, hatte schon mehrmals gewarnt, dass es eine Einflussnahme aus dem Ausland gebe. Nach der Festnahme seines wichtigsten Herausforderers, Viktor Babariko, sprach er von einem verhinderten Staatsstreich und von "Strippenziehern" in Moskau. Als nun die mehr als dreißig Russen festgenommen wurden, war in der staatlichen Nachrichtenagentur Belta die Rede von Versuchen, "die Lage während des Wahlkampfes zu destabilisieren".

Alexander Lukaschenko will zum sechsten Mal Präsident werden. (Foto: Nikolai Petrov/AP)

Am Donnerstagmorgen mussten alle Präsidentschaftskandidaten bei der zentralen Wahlkommission erscheinen. Einige Beobachter mutmaßten bereits, Lukaschenko könne die Festnahme der Kämpfer zum Vorwand nehmen, die Präsidentenwahl zu verschieben. Stattdessen wurde den Bewerbern erklärt, dass die Sicherheitsmaßnahmen aus Sorge vor Provokationen von jetzt an verschärft werden. Auf die Frage eines Kandidaten, ob womöglich am Wahltag das Internet gesperrt werde, antwortete Rawkow vom Sicherheitsrat nach einem Bericht der Zeitung Nascha Niwa: "Eine solche Variante ist nicht ausgeschlossen, falls es eine Gefahr gibt."

Für Lukaschenko ist die Lage derzeit deutlich schwieriger als noch bei der Wahl vor fünf Jahren. Die Pandemie hatte er verharmlost und so viel Unverständnis in der Bevölkerung ausgelöst. Zugleich hat Belarus mit einer schwierigen Wirtschaftslage zu kämpfen. Viele Belarussen wünschen sich Veränderungen, zwei Präsidentschaftsbewerber sind jedoch inhaftiert worden. Regierungskritiker setzen deshalb nun ihre Hoffnungen auf die Kandidatin Swetlana Tichanowskaja, die für ihren inhaftierten Mann eingesprungen ist.

Die EU, mit der sich das Verhältnis in den vergangenen Jahren verbessert hatte, rief Minsk zu einer fairen Wahl auf. Zugleich verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Belarus und Russland wegen eines Streits um eine Integration. Zur Festnahme der 33 Russen sagte der Kreml, die Anschuldigungen seien "nichts als Andeutungen".

© SZ vom 31.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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