Belarus:Vermisste Oppositionelle festgenommen

Die Aktivistin Maria Kolesnikowa wurde laut Grenzschutz auf der Flucht in die Ukraine aufgegriffen. Die Regierung in Kiew widerspricht und berichtet von gezielter Abschiebung.

Von Frank Nienhuysen

Maria Kolesnikowa verschwunden

Maria Kolesnikowa gehört dem Koordinierungsrat der belarussischen Opposition an.

(Foto: dpa)

Die verschwundene belarussische Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa ist nach Angaben der staatlichen Behörden am Dienstag an der ukrainischen Grenze festgenommen worden. Über die genauen Umstände gab es jedoch unterschiedliche Versionen. Ihr Aufenthaltsort war am Dienstag zunächst nicht bekannt. Die belarussischen Staatsmedien berichteten, zwei von Kolesnikowas Mitstreitern hätten sie auf der Flucht aus dem Auto gedrängt. Dem widersprach die ukrainische Regierung. Demnach hätten die belarussischen Behörden Kolesnikowa zur Ausreise zwingen wollen, um mit der vermeintlichen Flucht die Opposition zu diskreditieren, wie der ukrainische Vize-Innenminister Anton Geraschenko auf Facebook schrieb.

Während ihre zwei Kollegen nun in der Ukraine sind, hat Kolesnikowa nach ukrainischen Berichten ihren Pass zerrissen, um ihre Zwangsausweisung zu verhindern. Die 38 Jahre alte Kolesnikowa war am Montag nach Augenzeugenberichten in Minsk verschleppt worden. Bundesaußenminister Heiko Maas forderte von Belarus in der Bild-Zeitung "Klarheit" um ihren Verbleib sowie "die Freilassung aller politischer Gefangener in Belarus".

Für die belarussische Opposition ist Kolesnikowas Festnahme ein weiterer Schlag. Sie gehört dem Koordinierungsrat an, der sich nach der Präsidentenwahl Anfang August an die Spitze der Protestbewegung gegen Alexander Lukaschenko gestellt hat und von ihm bekämpft wird. Aus dem siebenköpfigen Präsidium sind nun lediglich noch zwei in Belarus in Freiheit, unter ihnen die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch.

Lukaschenko lehnt den Rat kategorisch ab und zeigte auch am Dienstag keinerlei Interesse an einem Dialog mit dem Gremium. "Das ist keine Opposition. Alles, was sie vorschlagen, ist eine Katastrophe für Belarus und das belarussische Volk", sagte er in einem Interview mit mehreren russischen Fernsehsendern. Lukaschenko behauptete darin, dass die Opposition die Beziehungen zu Russland beenden und "unsere Industriebetriebe zerstören" wolle.

Die Opposition hat jedoch die Bedeutung guter Beziehungen zu Russland immer wieder betont. Dem im Wahlkampf festgenommen Kandidaten Viktor Babariko, für den Maria Kolesnikowa gearbeitet hat, hatte Minsk sogar die engen Beziehungen zu Russland vorgeworfen. In dem Interview räumte der Staatschef ein, "vielleicht sitze ich schon etwas zu lange auf dem Posten", aber nur er könne derzeit "die Belarussen beschützen", sagte Lukaschenko, der seit 26 Jahren Belarus regiert.

Dagegen rief die nach Litauen gedrängte Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zu internationalen Sanktionen und mehr Druck auf Minsk auf. In einer Videoschaltung des Europarats sagte sie, "Hunderte von Menschen werden eingesperrt, vergewaltigt und geschlagen", dies dürfe nicht die Norm sein in Europa.

Die Wahlkommission in Belarus hatte Lukaschenko bei der Wahl am 9. August mit 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt, die Opposition dagegen sah deutlich Tichanowskaja vorn. Seitdem gibt es eine Protestwelle im ganzen Land, gegen die Minsk mit Gewalt vorgeht.

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