Belarus:Die Drohung des Regimes wird wahr

Proteste in Belarus

Olga Kovalkova bei Protesten in Minsk am 22. August.

(Foto: AP)

Präsident Alexander Lukaschenko lässt Oppositionsaktivisten und Streikführer festnehmen. Arbeiter in Salihorsk kündigen daraufhin einen Marsch zur Polizeibehörde an.

Von Daniel Brössler und Julian Hans

Mit Verhaftungen, Entlassungen und Einschüchterungen versucht das Regime in Belarus weiter, die Proteste gegen Staatspräsident Alexander Lukaschenko zum Verstummen zu bringen. Am Montagvormittag nahm die Sonderpolizei Omon die Oppositionsaktivisten Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski fest. Die beiden gehören dem Präsidium des sogenannten Koordinierungsrats der Opposition an.

Der Rat war vor einer Woche auf Anregung von Swetlana Tichanowskaja gegründet worden, die von vielen als wahre Gewinnerin der Wahlen vom 9. August angesehen wird. Das Gremium will mit der Staatsführung verhandeln, wird von dieser aber als Versuch gewertet, die Staatlichkeit zu untergraben. Lukaschenko hatten den Mitgliedern Strafen angedroht.

Dylewski und Kowalkowa hatten am Vormittag das Minsker Traktorenwerk besucht, um dort mit streikenden Arbeitern zu sprechen. Eine Einheit schwarz gekleideter Omon-Polizisten führte sie ab und fuhr sie in einem Gefangenentransporter davon. Die Behörden bestätigten die Festnahme, ließen aber offen, was den beiden vorgeworfen wird.

Belarus: Sergej Dylewsky in Minsk am 21. August.

Sergej Dylewsky in Minsk am 21. August.

(Foto: AP)

Der Diktator fordert seinen Minister auf, Lehrer zu entlassen, die zum anderen Lager gehören

Ebenfalls am Montag wurden die Vorsitzenden der Streikkomitees beim Düngemittelhersteller Belaruskali in der Stadt Salihorsk und bei der Minsker Fabrik für Radschlepper, Anatolij Bokan und Alexander Lawrinowitsch, festgenommen. Die Arbeiter von Belaruskali forderten die Behörden daraufhin ultimativ auf, Bokan frei zu lassen, andernfalls werde die gesamte Belegschaft zur Polizeibehörde marschieren.

Derweil forderte Lukaschenko das Bildungsministerium auf, Lehrer zu entlassen, die "zum anderen Lager gehören". Drei Angestellte der staatlichen Philharmonie, die sich an Protesten beteiligt hatten, wurden von der Polizei vorgeladen.

Bei einem Besuch in der benachbarten Ukraine appellierte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) an Lukaschenko, "keine Gewalt anzuwenden und die Rechte der Demonstrierenden zu wahren". Nach einem weiteren Wochenende voller Proteste müsse Lukaschenko "die Realität auf den Straßen seines Landes anerkennen, aber auch die Realität in den Köpfen im Land". Die EU-Außenminister würden bei ihrem informellen Treffen in Berlin Ende der Woche über die Lage in Belarus beraten.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Koleba äußerte die Hoffnung, dass ein "nationaler Dialog" das Nachbarland aus der Krise führe. Die Ukraine sei an Demokratie und Stabilität in Belarus interessiert. Mit dem Umbruch in der Ukraine 2014 seien die Proteste nicht zu vergleichen, da es in Belarus nicht um eine Annäherung an die Europäische Union gehe.

Regierungssprecher Steffen Seibert zeigte sich in Berlin erschüttert über Berichte, dass im Zuge der Proteste inhaftierte Menschen gewaltsam zu Tode gekommen seien. Die Bundesregierung fordere Lukaschenko erneut auf, die Polizeigewalt gegen die Demonstranten zu stoppen. Inhaftierte, die nur ihre demokratischen Rechte wahrnehmen, müssten umgehend freigelassen werden.

Russland hingegen wirft der Oppositionsbewegung im Nachbarland antirussische Tendenzen vor. In einigen Dokumenten des neuen Koordinierungsrates für einen friedlichen Machtwechsel sei "der Schwerpunkt auf das Abnabeln von Russland gelegt" worden, kritisierte der Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag laut der Agentur Interfax. "Der Kreml neigt zu Politikern in Belarus, die für eine Kooperation mit Russland sind." Moskau stellte sich damit einmal mehr hinter Staatschef Alexander Lukaschenko.

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