Proteste nach der Wahl:Polizei in Belarus schießt scharf

Proteste nach der Wahl: Polizei in Minsk in der Nacht vom 11. auf den 12. August.

Polizei in Minsk in der Nacht vom 11. auf den 12. August.

(Foto: AP)

Mehr als 1000 Menschen wurden seit dem Abend festgenommen. Die Bundesregierung findet deutliche Worte.

Bei weiteren Protesten gegen die umstrittene Präsidentenwahl in Belarus sind seit Dienstagabend mehr als 1000 Menschen festgenommen worden. Die Polizei setzte in der Nacht zum Mittwoch auch Schusswaffen ein, wie das Innenministerium mitteilte. Proteste gab es demnach in der Hauptstadt Minsk und 24 weiteren Städten.

Den Behörden zufolge wurden 50 Menschen mit Verletzungen im Krankenhaus behandelt. Zudem seien 14 Uniformierte verletzt worden. Einige von ihnen hätten in Kliniken gebracht werden müssen. In 17 Fällen werde wegen Angriffen auf die Polizei ermittelt.

Damit gab es in den vergangenen Tagen mehr als 6000 Festnahmen. Seit Sonntag gehen die Menschen jeden Abend gegen Fälschungen bei der Präsidentenwahl auf die Straße. Es sind die größten Proteste, die die Ex-Sowjetrepublik je erlebt hat. Am Montag kam ein Demonstrant ums Leben.

Die belarussische Menschenrechtsgruppe Wjasna berichtete, viele bei Zusammenstößen mit der Polizei verletzte Demonstranten trauten sich nicht, sich medizinisch behandeln zu lassen. "Wir haben Informationen, dass medizinisches Personal verpflichtet ist, alle Verletzungen und Wunden der Polizei zu melden", sagte Wjasna-Anwalt Pawel Sapelko. "Und Ärzte sehen die Protestierenden nicht als Opfer, sondern eher als Feinde der Stabilität von Belarus."

Ein Polizist in Brest schießt gezielt

Am Dienstag hatte sich die Präsidentenkandidatin Swetlana Tichanowskaja im EU-Nachbarland Litauen in Sicherheit gebracht. In einer Videobotschaft hatte sie die Demonstranten dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Das Video soll Berichten zufolge unter Druck der Behörden noch vor ihrer Ausreise aufgenommen worden sein. Die 37-Jährige wird von ihren Unterstützern als Siegerin der Abstimmung vom Sonntag gesehen. Staatschef Alexander Lukaschenko hatte von der Wahlkommission 80 Prozent der Stimmen zugesprochen bekommen, Tichanowskaja dagegen nur zehn Prozent. Auch die Bundesregierung und die EU haben starke Zweifel an dem Ergebnis geäußert.

Dem Innenministerium zufolge blockierten am Dienstag in Minsk etwa 400 Menschen die Straßen. Die Polizei habe die Proteste aufgelöst. In Brest an der Grenze zu Polen habe ein Polizist nach einem Angriff Warnschüsse abgegeben und dann auch gezielt geschossen. Ein Mensch sei verletzt worden. Einsatzkräfte in schwarzen Masken und Uniformen ohne Erkennungsmarken hatten Videos zufolge wahllos Menschen auf der Straße aufgegriffen und mit Knüppeln auf sie eingeschlagen.

Scharfe Kritik der Bundesregierung

Die Bundesregierung verurteilt das Vorgehen der Polizei scharf. "Das ist eine regelrechte Repressionswelle, die da rollt, mit Tausenden Festnahmen nach Wahlen, die weder fair noch frei waren", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Alle, die in Belarus verhaftet wurden, weil sie friedlich für ihre demokratischen Rechte demonstriert haben, müssen freigelassen und müssen gehört werden", sagte er. Am Freitag werde im Kreis der EU-Außenminister über gemeinsame Schritte beraten.

Seibert kritisierte "Festnahmen von Mitglieder der politischen Opposition, Festnahmen von Bürgerinnen und Bürgern, die nichts anderes getan haben, als öffentlich ihrem Wunsch nach politischem Wandel Ausdruck zu verleihen". Auch Journalisten aus dem In- und Ausland seien festgenommen worden.

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