Krise an EU-Außengrenze:Belarus warnt Polen vor "Provokationen"

Belarus Poland Border Refugees 6691783 08.11.2021 Polish police officers and servicemen guard the border near an illega

An der polnisch-belarussischen Grenze: Die Situation droht zu eskalieren.

(Foto: Viktor Tolochko/imago images)

Seehofer fordert EU-Einsatz an der polnisch-belarussischen Grenze. Die Unionsfraktion fordert Landeverbote für Fluggesellschaften, die die Schleusung von Migranten unterstützen.

Angesichts der angespannten Lage an der östlichen EU-Außengrenze hat das autoritär geführte Belarus Polen vor Provokationen gewarnt. "Wir möchten die polnische Seite im Voraus davor warnen, beliebige gegen die Republik Belarus gerichtete Provokationen zu nutzen, um mögliche illegale Militäraktionen gegen benachteiligte unbewaffnete Menschen (...) zu rechtfertigen", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung des Außenministeriums in Minsk.

Die Regierung in Warschau und die EU werfen dem autoritären belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus Krisenregionen wie Afghanistan und dem Irak einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Am Montag hatten nach Angaben polnischer Behörden größere Gruppen von Migranten auf der belarussischen Seite in der Nähe des mittlerweile geschlossenen Grenzübergangs Kuźnica versucht, die Zaunanlage zu durchbrechen. Sicherheitskräfte sollen unter anderem Tränengas eingesetzt haben, um die Migranten vom Grenzübertritt abzuhalten.

Vor dem Hintergrund der Eskalation fordert der geschäftsführende Bundesinnenminister Horst Seehofer Unterstützung der EU. "Wir müssen der polnischen Regierung bei der Sicherung der Außengrenze helfen. Das wäre eigentlich Aufgabe der EU-Kommission. An die appelliere ich jetzt, dass sie aktiv wird", sagte der CSU-Politiker der Bild. Die Situation könnten Polen und Deutschland nicht alleine bewältigen. An der östlichen EU-Außengrenze zwischen Belarus und Polen wollen inzwischen Tausende Migranten aus Krisenregionen wie Afghanistan und Syrien in den Westen. Als ein Hauptziel der Migranten gilt Deutschland.

Die EU-Kommission hat jedoch nach eigener Aussage Polen bereits mehrfach ermuntert, Hilfe anzunehmen. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex, die Asylbehörde Easo und die Polizeibehörde Europol stünden bereit, bei der Registrierung von Migranten, Bearbeitung von Asylgesuchen und dem Kampf gegen Schmuggel zu helfen, hieß es am Montag seitens der EU-Kommission. Polen müsse diese Hilfe jedoch anfordern.

Zur Eskalation war es gekommen, nachdem Lukaschenko als Reaktion auf Sanktionen gegen sein Land erklärt hatte, Migranten auf ihrem Weg in die EU nicht mehr aufhalten zu wollen. In der Grenzregion gab es bereits mehrere Todesfälle unter Migranten. Die EU-Staaten Polen und Litauen haben in den vergangenen Monaten Tausende Grenzübertritte gemeldet.

Litauen will nun angesichts der zugespitzten Lage von Mittwoch an an der EU-Außengrenze zu Belarus für einen Monat den Ausnahmezustand in der Grenzregion verhängen. Die Regierung des baltischen EU-Landes legte dem Parlament in Vilnius am Dienstag einen entsprechenden Beschluss zur Billigung vor. "Wir beobachten, was an der polnisch-weißrussischen Grenze vor sich geht, und das bedeutet natürlich, dass wir auch mit ähnlichen Invasionen und Angriffen rechnen können", sagte Innenministerin Agnė Bilotaitė, die den entsprechenden Vorschlag ins Kabinett eingebracht hatte. Auf die gewaltsamen Versuche von Grenzübertritten müsse mit der Stärkung der Sicherheit der Grenzen reagiert werden. Die litauische Innenministerin wollte die Lage an der Grenze am Dienstag auch mit ihrem deutschen Amtskollegen Seehofer besprechen.

Auf Polen bezogen betonte Seehofer bereits, das Land habe bisher richtig reagiert. "Ich sage auch, dass wir die bauliche Sicherung der Grenzen brauchen. Da müssen wir auch öffentlich die Polen unterstützen. Wir können sie nicht dafür kritisieren, dass sie mit zulässigen Mitteln die Außengrenze der EU schützen", sagte Seehofer. "Natürlich nicht mit Schusswaffengebrauch, aber mit den anderen Möglichkeiten, die es ja auch gibt."

Weber fordert verschärfte Sanktionen gegen Lukaschenko

CSU-Europapolitiker Manfred Weber fordert ein entschiedenes Auftreten der Europäischen Union. "Die europäische Botschaft muss sein: Es reicht!", sagte der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europaparlament ebenfalls der Bild. Er sprach sich für "verschärfte Sanktionen" gegen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko und sein Umfeld aus.

Kritisch äußerte Weber sich mit Blick auf die Türkei - eins der Länder, von denen aus Migranten mit Flügen nach Belarus gelangten. "Wenn der türkische Präsident Erdoğan nun mittels zahlreicher Migranten-Flüge aus der Türkei nach Belarus neue Erpressungsversuche gegen die EU unternimmt, braucht es eine unmissverständliche Antwort", sagte Weber. "Damit wird er genauso scheitern wie mit seinem Versuch, Migranten über die griechisch-türkische Grenze zu schleusen. Die Kommission muss umgehend Gespräche mit der türkischen Regierung aufnehmen."

Die Unionsfraktion hält die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung gegen unerlaubte Einreisen über Belarus zwar für richtig, aber nicht ausreichend. In einem Antrag von CDU/CSU, über den an diesem Donnerstag im Bundestag beraten wird, heißt es, die Bundesregierung solle sich auf europäischer Ebene für Landeverbote und andere Sanktionen gegen solche Fluggesellschaften einsetzen, "die Migranten aufgrund der von Belarus missbräuchlich eingeräumten Visafreiheit befördern". Außerdem müsse der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Belarus als "russischer Klientelstaat" Entscheidungen wie die vom Staat orchestrierte Schleusung von Migranten in die EU nicht alleine treffe.

Sollten andere Maßnahmen zur Eindämmung der Migrationsbewegungen aus Belarus nach Deutschland keine Wirkung zeigen oder nicht ausreichen, solle die Bundesregierung Vorkehrungen treffen, damit als letztes Mittel auch zeitlich befristete Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze eingeführt werden könnten, hieß es in dem Antrag.

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