Süddeutsche Zeitung

Nach SZ-Recherche:Lukaschenko hält Existenz russischer Übernahme-Pläne für möglich

Der belarussische Diktator hat sich zu einem von der SZ geleakten Kreml-Dokument geäußert, laut dem Russland eine Annexion des Nachbarlandes plane.

Von Nadja Lissok

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat auf die enthüllten Übernahme-Pläne Russlands reagiert und schließt nicht aus, dass sie echt sind. Das geht aus Zitaten hervor, die die staatliche Nachrichtenagentur Belta veröffentlicht hat.

Die Süddeutsche Zeitung hatte gemeinsam mit internationalen Recherche-Partnern ein geheimes Kreml-Papier ausgewertet, laut dem Russland eine heimliche Annexion des Nachbarlands plane. Das Dokument mit der Überschrift "Strategische Ziele der Russischen Föderation in Belarus" stammt angeblich aus dem Jahr 2021 und beschreibt anhand von kurz-, mittel- und langfristigen Zielen, wie sich der Kreml Belarus bis zum Jahr 2030 einverleiben will. Geheimdienstexperten halten die Papiere für glaubwürdig.

In einem Interview hat Lukaschenko nun die Enthüllung kommentiert: Grundsätzlich sehe er die Veröffentlichung der europäischen Medien als Versuch, einen Keil zwischen Russland und Belarus zu treiben. Im Interview betonte er die Unabhängigkeit seines Landes, hielt es aber dennoch für möglich, dass ein derartiges Dokument vor Jahren existiert haben könnte.

Möglicherweise hätten Regierungsbeamte es als eine Vorgehensweise in der Beziehung zu Belarus ausgearbeitet, sagte Lukaschenko. Zum Verhältnis der Nachbarstaaten habe es auch in seinem Land verschiedene Positionen gegeben. Er habe die Angelegenheit bereits mit Kremlchef Wladimir Putin besprochen und die beiden seien sich einig, dass sich die Beziehung ihrer Länder nicht ändern werde. "Wir sind ein unabhängiger souveräner Staat, der zu Russland steht."

Belarus als wichtiger Partner Russlands im Krieg

Seit 2020 nach einer gefälschten Wahl Hunderttausende Menschen protestierten, kann sich Lukaschenko nur noch mithilfe Moskaus im Amt halten. Sein Land ist vom großen Nachbarn im Osten abhängig, laut Schätzungen gehen mehr als zwei Drittel aller belarussischen Exporte nach Russland. Auch militärisch steht Belarus seit dem russischen Angriff auf die Ukraine auf Seite des Aggressors. Seit Oktober 2022 sind Tausende russische Soldaten auf belarussischem Boden stationiert.

Eine belarussische Beteiligung am Krieg wird immer wieder befürchtet. Lukaschenko hat in diesem Monat bereits die Bildung einer neuen sogenannten Territorialverteidigung aus Freiwilligen angeordnet. Alexander Wolfowitsch, Staatssekretär des Sicherheitsrats, gab laut Nachrichtenagentur Belta bekannt, dass im Fall einer "Ausrufung des Kriegsrechts und der Umstellung der Wirtschaft auf Kriegsmodus" bis zu 1,5 Millionen Personen abrufbar seien.

In wenigen Tagen wird Lukaschenko außerdem zu Beratungen nach China reisen. Die Volksrepublik hat in einem Zwölf-Punkte-Papier zu Waffenruhe und Friedensverhandlungen in der Ukraine aufgerufen.

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