Belarus:Mitstreiter sorgen sich um verschwundene Kolesnikowa

Proteste in Belarus

Maria Kolesnikowa soll in Belarus entführt und später festgenommen worden sein.

(Foto: dpa)

Bislang gibt es keine offiziellen Angaben, wo sich die prominente Oppositionelle befindet. Die USA erwägen Sanktionen gegen das Lukaschenko-Regime. In der EU werden entsprechende Maßnahmen offenbar blockiert - wegen eines anderen Streits.

Nach der Festnahme der Oppositionellen Maria Kolesnikowa in Belarus hoffen ihre Kollegen auf Klarheit über ihren Verbleib. Es gebe zwar Informationen, dass die 38-Jährige im Süden des Landes in Gewahrsam sei, teilte ihr Team mit. Eine offizielle Bestätigung dafür gebe es aber nicht. Auch die Anwälte wüssten nicht, wo sich Kolesnikowa aufhalte. "Wir appellieren an die belarussischen Behörden, den Aufenthaltsort von Maria Kolesnikowa mitzuteilen", teilte das Team über den Nachrichtenkanal Telegram mit.

Die US-Regierung erwägt Außenminister Mike Pompeo zufolge mit ihren Verbündeten koordinierte, gezielte Sanktionen "gegen jene, die an Menschenrechtsverstößen und Repressionen in Belarus beteiligt sind". Pompeo verwies auf die "angebliche Entführung" Kolesnikowas und appellierte an die belarussischen Behörden, "das gewaltsame Vorgehen gegen das eigene Volk zu beenden und all jene freizulassen, die unrechtmäßig festgenommen worden sind".

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Behörden auf, Informationen über den Verbleib der Oppositionellen bekanntzugeben und Kolesnikowa unverzüglich freizulassen. "Wir rufen dazu auf, dass die Kampagne der Einschüchterung und politischen Verfolgung von Gegnern beendet wird", hieß es in einer Mitteilung.

Behörden in Belarus: Festnahme von Kolesnikowa, um "Umstände zu klären"

Kolesnikowa soll am Montagvormittag entführt und gegen ihren Willen zur Grenze gebracht worden sein. Dort wollten die Behörden sie nach Angaben ihrer Mitarbeiter Iwan Krawzow und Anton Rodnenkow zur Ausreise zwingen. Die beiden seien über die ukrainische Grenze gefahren, weil sie befürchteten, festgenommen zu werden.

Kolesnikowa habe aber ihren Pass zerrissen und sei zum belarussischen Grenzübergang zurückgekehrt, wo die Oppositionelle dann festgenommen wurde. Seitdem ist ihr Verbleib ungeklärt. Den Behörden zufolge wollte sie in die Ukraine ausreisen. Es sei zu der Festnahme gekommen, um "Umstände zu klären", hieß es. Details wurden nicht genannt.

Kolesnikowa, die viele Jahre in Stuttgart wohnte und dort Kulturprojekte managte, ist eine der letzten aktiven prominenten Oppositionellen, die noch in Belarus ist. Staatschef Lukaschenko hatte sich nach der Präsidentenwahl vor gut vier Wochen mit mehr als 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Gewinnerin der Wahl. Die Abstimmung steht international als grob gefälscht in der Kritik. Seit dem 9. August gibt es täglich Proteste.

Auch Tichanowskaja lebt inzwischen im Exil im EU-Land Litauen. Sie war unter Druck der Behörden dorthin ausgereist. Die Oppositionelle forderte die sofortige Freilassung ihrer Mitstreiterin. "Wir spüren großen Druck seitens der Behörden auf unser Volk", sagte sie. Die Entführung und Festnahme Kolesnikowas schockiere sie. "Es ist nicht normal, dass solche Dinge mitten in Europa im 21. Jahrhundert passieren."

Am Dienstagabend versammelten sich in Minsk aus Solidarität mit Kolesnikowa zahlreiche Menschen. Auf Bildern war zu sehen, wie maskierte Einsatzkräfte Dutzende Demonstranten brutal festnahmen und die Gruppen auseinandertrieben. Die Aktivisten der Menschenrechtsgruppe Wesna sprachen von mehr als 50 Festnahmen.

Streit in EU blockiert Sanktionen gegen Unterstützer Lukaschenkos

Die Europäische Union hat bereits vor einigen Wochen Sanktionen gegen Unterstützer Lukaschenkos angekündigt. Diese können aber offenbar bis auf Weiteres nicht beschlossen werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat das EU-Land Zypern einen Vorbehalt gegen die Verabschiedung der Strafmaßnahmen angemeldet. Er soll Drohungen zufolge erst dann aufgehoben werden, wenn die Europäische Union auch neue Sanktionen gegen die Türkei verhängt.

Zypern und Griechenland fordern von der EU schon seit Langem, schärfer auf von ihnen als illegal erachtete türkische Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer zu reagieren. Andere EU-Staaten sind allerdings der Ansicht, dass dies laufende Vermittlungsbemühungen von Ländern wie Deutschland erschweren könnte. Sie wollen deswegen noch abwarten, bevor sie neuen, von Zypern vorgeschlagenen Türkei-Sanktionen zustimmen.

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