Gespräch mit Lukaschenko:Belarussische Opposition kritisiert Merkel

Gespräch mit Lukaschenko: Lukaschenko-Gegner demonstrieren am Brandenburger Tor: Die belarussischen Mitglieder des "Volny Chor" treten aus Angst vor Repression nur anonym und maskiert auf.

Lukaschenko-Gegner demonstrieren am Brandenburger Tor: Die belarussischen Mitglieder des "Volny Chor" treten aus Angst vor Repression nur anonym und maskiert auf.

(Foto: Markus Schreiber/AP)

Warum es Belarussen im Berliner Exil für falsch halten, dass die Bundeskanzlerin mit dem Machthaber in Minsk gesprochen hat.

Von Daniel Brössler, Berlin

Die telefonischen Kontakte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem Minsker Machthaber Alexander Lukaschenko stoßen auf massive Kritik bei Belarussen in der Opposition und im Exil. "Die Kanzlerin hat mit einem Terroristen gesprochen. Das hätte sie nicht machen sollen", sagte Michael Rubin, Koordinator der belarussischen "Volksbotschaft", am Freitag der Süddeutschen Zeitung.

Die Propaganda in Belarus schlachte die Telefonate aus. Damit habe Lukaschenko sein Ziel erreicht. In Gesprächen mit dem Auswärtigen Amt und dem Kanzleramt drückte nach eigenen Angaben auch der führende Oppositionspolitiker Pawel Latuschka seine Sorge über die Telefonate aus. "Für die Menschen in Belarus ist es sehr wichtig, dass Lukaschenko nicht als Präsident anerkannt wird", sagte er der SZ.

"Wir verstehen die schwierige, dramatische Lage der Migranten an der Grenze zu Polen. Aber die Belarussen sind in derselben Lage wie die Migranten. Sie sind Opfer der schlimmsten Repressionen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Latuschka. Der ins Exil geflüchtete frühere belarussische Diplomat ist Präsidiumsmitglied des Koordinierungsrates der Opposition. Merkel hatte am Montag und Mittwoch wegen der an der Grenze zwischen Belarus und Polen gestrandeten Migranten mit Lukaschenko telefoniert, wollte dies aber keinesfalls als Anerkennung verstanden wissen.

Das Ziel ist es, die Situation zu ändern, so der Regierungssprecher

Regierungssprecher Steffen Seibert verwies am Freitag auf die "besorgniserregende humanitäre Lage, in die Tausende Menschen von der belarussischen Führung getrieben wurden". Die Kanzlerin habe die Telefongespräche geführt, "um diese Lage zu verbessern oder gar aufzulösen", betonte er. "In einer solchen Situation hat es eben auch Sinn, mit denen zu sprechen, die in Minsk die Möglichkeiten haben, etwas an der Situation zu ändern", sagte Seibert. Dies sei auch dann der Fall, "wenn es um einen Machthaber gehe, dessen Legitimität durch die Präsidentschaftswahl, auf die er sich beruft, wir wie alle europäischen Partner nicht anerkennen".

Als Diplomat verstehe er die Klarstellung, dass Merkel ausdrücklich nur mit "Herrn" Lukaschenko gesprochen habe und dies keine Anerkennung seiner Präsidentschaft darstelle, sagte Latuschka. "Aber es ist sehr wichtig, das den Menschen in Belarus zu erklären. Es ist wichtig, eine starke Botschaft auszusenden, dass die deutsche Regierung Lukaschenko nicht als Präsident anerkannt hat und nicht anerkennen wird", betonte er. Lukaschenko sei nur noch an der Macht, weil er Polizei, Armee und den russischen Präsidenten Wladimir Putin an seiner Seite habe. Bei der Migrationskrise handele es sich um ein "Beispiel von internationalem Terrorismus". Lukaschenko habe sie herbeigeführt, um die politische Isolation zu durchbrechen und die Sanktionen zu beenden. Koordiniert worden sei die Operation mit den russischen Geheimdiensten. Neben der Nichtanerkennung und Sanktionen sei es notwendig, Ermittlungen gegen Lukaschenko "als Kriminellen" einzuleiten.

Auch Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis hatte sich skeptisch über Merkels Telefonate mit Lukaschenko geäußert und diese als "gefährlichen Weg" bezeichnet. "Diktatoren und autoritäre Menschen sind dafür bekannt, dass sie sich nicht an das Gesetz halten", sagte er. Auch an Vereinbarungen hielten sie sich nicht zwingend. Die G-7-Staaten warfen dem Regime in Minsk "die gezielte Orchestrierung irregulärer Migration" vor. Man rufe das Regime auf, "seine aggressive, das Leid der Menschen ausnutzende Kampagne unverzüglich einzustellen, um weiteres Leid und weitere Todesopfer zu verhindern", hieß es in einer Erklärung der Außenminister der G-7-Staaten. Internationalen Organisationen müsse sofort ungehinderter Zugang zu den Menschen vor Ort gewährt werden. Kanzlerin Merkel sprach am Freitag in einer Videokonferenz mit UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi und dem Generaldirektor der Internationalen Organisation für Migration, António Vitorino, über die Krise.

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