Belagerung der Gaddafi-Bastion:Rebellen erwarten Sturmbefehl auf Bani Walid

Die Verhandlungen über eine friedliche Übergabe der libyschen Wüstenstadt Bani Walid sind gescheitert. Nun steht ein Angriff auf die Gaddafi-Bastion unmittelbar bevor. Die Ortschaft ist von Tausenden Kämpfern umstellt. Die Truppen der neuen Führung warten nur noch auf den Befehl zum entscheidenden Angriff.

Nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine friedliche Übergabe von Bani Walid steht ein Angriff auf die libysche Wüstenstadt möglicherweise kurz bevor. Tausende Anhänger der Rebellen haben die Ortschaft umstellt und stehen etwa 15 Kilometer vom Zentrum entfernt. Am Montagmorgen traf ein weiterer Konvoi mit Kämpfern ein. Verhandlungsführer Abdallah Kenschil sagte, die Gespräche unter Vermittlung von Stammesführern seien beendet worden und würden auch nicht wiederaufgenommen.

Vertreter der neuen Führung hatten tagelang versucht, die Kämpfer an der Seite des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi in Bani Walid zum Aufgeben zu bewegen. Die Gaddafi-Gegner betonten, sie wollten eine friedliche Übergabe erreichen. Am Sonntagabend erklärte Kenschil die Verhandlungen für gescheitert.

Kämpfer der neuen libyschen Führung und Anhänger Gaddafis hatten sich in der Nacht zum Sonntag bereits vereinzelt Gefechte nahe Bani Walid geliefert. Gaddafi-Kämpfer hätten am Abend versucht, die Stadt zu verlassen, sagte ein Sprecher des Nationalen Übergangsrats am Kontrollposten Tschitschan. "Es hat kleine Gefechte gegeben, die mehrere Minuten gedauert haben." In der Stadt soll es aber noch keine Kämpfe gegeben haben, die Frontlinie verläuft der neuen Führung zufolge etwa 15 bis 20 Kilometer nördlich von Bani Walid.

Rebellenführer Mohammed al-Fassi sagte, Anhänger Gaddafis seien in die Stadt vorgedrungen. Geflüchtete Städter wiederum berichteten, viele Gaddafi-Kämpfer hätten die Stadt verlassen und sich mit Waffen in die Berge zurückgezogen. Bani Walid soll einer Geisterstadt gleichen.

Der Präsident des Nationalen Übergangsrates, Mustafa Abdel Dschalil, hatte zuvor ein Ultimatum an die Gaddafi-Anhänger landesweit bis zum 10. September verlängert. Der Innenminister des Übergangsrates, Ahmed Dharrat, sagte am Sonntag in der Hauptstadt Tripolis aber, Bani Walid werde "heute oder morgen" befreit, ohne auf das verlängerte Ultimatum einzugehen.

Gaddafi-Getreue hätten gefordert, dass die Vertreter der neuen Führung unbewaffnet nach Bani Walid kämen, was wegen eines möglichen Hinterhalts aber abgelehnt worden sei, sagte Kenschil. Den Gaddafi-Getreuen in Bani Walid sei zuvor versichert worden, dass sie fair behandelt würden, wenn sie sich ergäben. Er schätzte die Zahl der "schwerbewaffneten" Kämpfer in der Wüstenstadt auf bis zu 50. Auf die Frage, ob die Gaddafi-Gegner die Stadt nun angreifen würden, sagte Kenschil, er überlasse es dem Kommandeur der Kämpfer, "mit dem Problem umzugehen". Er als Verhandlungsführer habe "nichts weiter anzubieten".

Wasser für Tripolis

Bani Walid ist eine der verbliebenen Bastionen des früheren Regimes. Vertraute des flüchtigen Gaddafi sowie sein Sohn al-Saadi sollen sich der neuen Führung zufolge in Bani Walid aufhalten, das rund 180 Kilometer südöstlich von Tripolis liegt. Die Stadt galt bis vor kurzem auch als mögliches Versteck von Gaddafi selbst. Inzwischen vermutet die neue Führung Gaddafi in seiner Geburtsstadt Sirte.

Libya unrest Tripoli

Kämpfer der neuen Führung bereiten sich auf ihren Einsatz vor.

(Foto: dpa)

In Bani Walid leben viele Angehörige des mächtigen Stammes Warfala, der Gaddafi die Treue hält und mit einer Million Mitgliedern ein Sechstel der libyschen Bevölkerung ausmacht. Kenschil sagte, "Gaddafi, seine Söhne und viele Vertraute" seien in Bani Walid gewesen, viele seien jedoch inzwischen entkommen. Auch Gaddafis früherer Sprecher Mussa Ibrahim halte sich noch dort auf. "Sie wollen die Stadt als ihre Festung nutzen."

Unterdessen gibt es Medienberichte, wonach China trotz eines Embargos noch in den vergangenen Wochen versucht hat, Waffen an das Gaddafi-Regime zu verkaufen. Es habe sich um Panzer, Raketenwerfer und Munition im Wert von 200 Millionen US-Dollar gehandelt, berichten die New York Times und die kanadische Zeitung The Globe and Mail. Das hätten Mitarbeiter des libyschen Übergangsrats mitgeteilt.

Die Dokumente in arabischer Sprache, die auf der Webseite der Globe and Mail veröffentlicht wurden, seien authentisch, zitierte die New York Times Mitglieder des Übergangsrats. Demnach sollten die Waffen von staatlichen chinesischen Firmen über Südafrika oder Algerien an das Regime Gaddafis geliefert werden. Mitarbeiter des US-Außenministeriums und des Pentagon erklärten, sie wüssten nichts über einen solchen Handel und benötigten mehr Zeit, die Unterlagen zu prüfen.

Den Bewohnern von Tripolis versprach die neue Führung derweil, dass ihre Stadt "in den kommenden Tagen" wieder an die Trinkwasserversorgung angeschlossen sein werde. Ein Militärsprecher des Übergangsrats, Ahmed Bani, sagte, die Kämpfer der Gaddafi-Gegner hätten die Kontrolle über den Großteil der wichtigen Versorgungsleitung erlangt, durch die Grundwasser aus der Wüste in den Norden transportiert wird. Bei einem Großteil der Hauptstadtbewohner fließt seit Tagen kein Wasser mehr aus der Leitung.

Ein Kommandeur der Truppen der neuen Führung übte indes Kritik an den USA und Großbritannien. Abdel Hakim Belhadsch forderte am Sonntag in der BBC eine Entschuldigung aus Washington und London, nachdem bekanntgeworden war, dass die Geheimdienste der Länder bei seiner Festnahme geholfen haben sollen. "Was mir passiert ist, war illegal und verdient eine Entschuldigung."

Der Zeitung The Guardian sagte Belhadsch, er erwäge Klagen gegen beide Länder. Am Wochenende war bekanntgeworden, dass der US-Geheimdienst CIA sowie die britischen Behörden Libyen bei der Gefangennahme und Überstellung Belhadschs ihre Hilfe angeboten haben sollen. Der Oppositionelle war 2004 in Bangkok gefasst und nach Libyen gebracht worden. Dort saß er nach eigenen Angaben sieben Jahre im Gefängnis und wurde "regelmäßig gefoltert".

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