Behördenchef am Ende:Ins Abseits geredet

Nach seinem Rundumschlag gegen SPD, Medien und andere muss Hans-Georg Maaßen gehen. Horst Seehofer hat das Vertrauen in ihn verloren.

Von Constanze von Bullion, Georg Mascolo und Ronen Steinke

FILE PHOTO: Hans-Georg Maassen, President of the Federal Office for the Protection of the Constitution and German Interior Minister Horst Seehofer attend a parliamentary committee hearing of the lower house of parliament Bundestag in Berlin

Da konnte Hans-Georg Maaßen (links) noch lächeln trotz all der Kritiker, mit Rückendeckung des Ministers: der Verfassungsschutzchef und Horst Seehofer im September im Bundestag.

(Foto: Fabrizio Bensch/REUTERS)

Es hat schon erfreulichere Auftritte gegeben im langen politischen Leben des Horst Seehofer. Am Montagnachmittag tritt der Bundesinnenminister in Berlin vor die versammelte Presse, mit Zorn im Blick, er kann ihn nicht verbergen. Und noch bevor Seehofer loslegt, ist schon klar: Der Minister muss sich trennen von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, den er bis zuletzt in Schutz genommen hatte, für den er fast die Bundesregierung hat auseinanderbrechen lassen und den er in sein Ministerium hatte holen wollen, als Sonderberater, eigentlich. Am Ende scheitert das Team Seehofer-Maaßen an zwei Bogen Papier.

"Dieses Redemanuskript enthält inakzeptable Formulierungen. Vor diesem Hintergrund ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von ihm und mir, aber auch mit allen Beteiligten in welcher Funktion auch immer, nicht mehr möglich", sagt Seehofer. Er habe sich entschlossen, Maaßen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, "trotz seiner unbestrittenen Verdienste". Die Entscheidung über die Nachfolge treffe das Bundeskabinett. Bis auf Weiteres übernehme Maaßens Stellvertreter Thomas Haldenwang. Und ja, fügt der Minister auf Nachfrage an: Natürlich ist man dann auch menschlich "ein Stück enttäuscht".

Schluss, aus, Ende, heißt das. Seehofer hat einen Streit beendet, der im September eine Koalitionskrise auslöste. Sie begann mit der Tötung eines Mannes in Chemnitz, tatverdächtig sind Asylbewerber. In der Folge kam es zu tagelangen Ausschreitungen von Rechtsextremisten, auch AfD-Spitzenleute und deren Anhänger protestierten. Nach Augenzeugenberichten setzten rechte Demonstranten immer wieder Menschen nach, die sie für Migranten hielten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die "Hetzjagden" inakzeptabel.

Was folgte, war eine Regierungskrise. Erst sagte Maaßen der Bild-Zeitung, ihm lägen "keine belastbaren Informationen" vor, dass in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten. Womöglich handle es sich bei einem Video "um eine gezielte Falschinformation", um die Öffentlichkeit vom "Mord" in Chemnitz abzulenken. In Berlin rief das Empörung hervor. SPD und Opposition forderten Maaßens Entlassung. Später einigten die Koalitionsspitzen sich darauf, den 55-Jährigen zum Innenstaatssekretär zu ernennen, also zu befördern. Nach viel Kritik wurde beschlossen, Maaßen im Innenministerium als Sonderbeauftragten für europäische und internationale Aufgaben weiterzubeschäftigen, im Rang eines Abteilungsleiters.

Hierzu wird es jetzt nicht mehr kommen. Grund ist ein Abschiedsvortrag, den Maaßen im Oktober im "Berner Club" gehalten hat, vor europäischen Geheimdienstchefs. Anschließend stellte er das Manuskript ins Intranet des Bundesamts. In dem Dokument, das Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegt, betonte Maaßen, er könne sich auch ein Leben außerhalb des Staatsdienstes vorstellen. Nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch "zum Beispiel in der Politik". In Deutschland sei er, so Maaßen weiter, "als Kritiker einer idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik bekannt". Dann wiederholte Maaßen seine Kritik an Politikern und Journalisten, die von "Hetzjagden" in Chemnitz gesprochen hatten: "Ich habe bereits viel an deutscher Medienmanipulation und russischer Desinformation erlebt. Dass aber Politiker und Medien 'Hetzjagden' frei erfinden oder zumindest ungeprüft diese Falschinformation verbreiten, war für mich eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland", heißt es im Manuskript weiter. "Die Medien sowie grüne und linke Politiker" hätten seine Entlassung gefordert. Verantwortlich für solche Forderungen seien auch "linksradikale Kräfte in der SPD", die "einen Bruch dieser Regierungskoalition provozieren" wollten.

Letzteres ging dann auch Horst Seehofer zu weit, der bis zuletzt zu seinem angeschlagenen Behördenleiter Maaßen gehalten hatte. An drei Punkten des Manuskripts habe er Anstoß genommen, sagt der Minister. Erstens habe Maaßen im Innenausschuss des Bundestags "mehrfach" sein Interview in der Bild bedauert. Nun aber habe er den Inhalt eben dieses Interviews erneut vorgetragen. Zweitens seien die Äußerungen zur SPD nicht hinnehmbar. "Von linksradikalen Kräften in der SPD zu sprechen, halte ich auch nicht für akzeptabel", sagt Seehofer.

Als dritten und möglicherweise wundesten Punkt benennt der Bundesinnenminister Maaßens Bemerkung, er lehne eine "naive" Ausländer- und Sicherheitspolitik in Deutschland ab. Dies sei, so Seehofer, "eine Grenzüberschreitung". Und nein, bei sich selbst könne er "beim besten Willen" keine Fehler erkennen, sagt der Minister weiter. In seiner langen Laufbahn habe er sich "immer schützend" vor Mitarbeiter gestellt, die in Schwierigkeiten geraten seien. Im Fall Hans-Georg Maaßen allerdings, "da scheint mit das Vertrauen einfach nicht mehr herstellbar".

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