Russlands berühmtester Gefangener, der Kremlgegner Michail Chodorkowskij, wurde nach zehn Jahren Haft aus dem Straflager entlassen. Er war unter anderem wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Kritiker sprachen von politisch motivierten Prozessen, weil der Unternehmer Putin herausgefordert hatte.
- Deutsche Regierung an Freilassung beteiligt: Laut SZ-Informationen ist es dem früheren deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher gelungen, Chodorkowskij freizubekommen. Genscher habe dazu die Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehabt. Die geheimen Verhandlungen über die Freilassung des ehemaligen Chefs des Ölkonzerns Yukos hatten nach der Rückkehr von Putin ins Amt des russischen Präsidenten im Mai 2012 begonnen. Merkel soll sich bei ihm für eine Mission Genschers eingesetzt haben, der in der früheren Sowjetunion gut vernetzt ist. Genscher sei mehrmals nach Moskau gereist, um die Freilassung Chodorkowskijs zu erreichen. Die Angelegenheit war kompliziert, weil der einstige Oligarch ein Gnadengesuch stets abgelehnt hatte, um ein Schuldeingeständnis zu vermeiden. Auch ein Leben im Exil hatte er ausgeschlossen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes war im Vorfeld auch die deutsche Botschaft in Moskau an den Vorbereitungen für Chodorkowskijs Einreise nach Deutschland beteiligt.
- Ankunft in Berlin: Der aus der russischen Haft entlassene Kremlkritiker landete auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld. Das bestätigten das Auswärtige Amt und Genscher, der Chodorkowskij am Flughafen abholte. Chodorkowskij hatte einen gültigen russischen Pass bei sich und erhielt in Schönefeld ein nationales Visum für ein Jahr, ausgestellt vom Land Berlin. Nach Einschätzung deutscher Behörden wird nicht damit gerechnet, dass er dauerhaft in Deutschland bleiben wird, sondern möglicherweise auch in ein Nachbarland weiterreisen könnte. Dafür käme unter anderem die Schweiz in Frage. Mit dem Visum aus Berlin ist er dazu rechtlich in der Lage. Der frühere Öl-Milliardär hatte darum gebeten, nach Deutschland reisen zu dürfen, weil seine an Krebs erkrankte Mutter dort behandelt werde. Russische Medien - zum Beispiel die russische Nachrichtenagentur Rapsi, der Kommersant und die Internetzeitung Gazeta.ru - berichten nach Telefonaten mit der Mutter, dass Chodorkowskijs Mutter zwar tatsächlich in Berlin behandelt werde, sich im Moment jedoch in Russland befinde. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP wollen Vater und Mutter morgen von Moskau nach Berlin reisen.
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- Chodorkowskij stellte Gnadengesuch: Inzwischen hat sich Chodorkowskij mit einer Erklärung an die Presse gewandt. Er habe das Gnadengesuch gestellt - jedoch damit nicht seine Schuld eingestanden. "Die Frage nach einem Schuldeingeständnis hat sich nicht gestellt", sagte er der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Er bedankte sich zudem bei seinen Unterstützern und seiner Familie. "Ich kann den Moment kaum erwarten, meine Liebsten in die Arme zu schließen und meinen Freunden und Kollegen persönlich die Hand zu reichen." Dennoch sei er in Gedanken bei all jenen, die immer noch im Gefängnis säßen. Gesondert bedankte sich Chodorkowskij bei dem ehemaligen deutschen Außenminister Genscher für "seinen persönlichen Einsatz". Genscher hatte auch das Flugzeug für die Ausreise organisiert.
- Die Rolle der Mutter: Dass der frühere Öl-Milliardär nach jahrelanger Weigerung Putin nun doch um Gnade gebeten hat, hängt mit dem schlechten Gesundheitszustand seiner an Krebs erkrankten Mutter Marina Chodorkowskaja zusammen. "Ich habe mich am 12. November an den Präsidenten gewandt mit der Bitte um Gnade angesichts familiärer Umstände und freue mich über die positive Entscheidung", teilte Chodorkowskij mit. Putin hatte die Freilassung seines Erzfeindes mit "humanitären Gründen" begründet. "Seine Mutter ist krank", sagte Putin.
- Bitte um Ruhe: Die Grünen-Politikerin Marieluise Beck bat darum, Chodorkowskij die Ruhe und Gemeinschaft mit seinen Eltern zu ermöglichen, die er sich von seinem Gnadengesuch erhofft hatte. "Man kann sich vorstellen, dass einer nach zehn Jahren im russischen Lager erst einmal einen Schock bekommt, wenn er von einem Tag auf den anderen in der Öffentlichkeit steht", sagte Beck der Süddeutschen Zeitung. Die Bundestagsabgeordnete hat sich seit Jahren für die Freilassung Chodorkowskijs eingesetzt und ist mit der Familie befreundet. Die Eltern haben sich immer wieder für längere Zeit in Deutschland aufgehalten. Das russische Gesetz erlaubte ihnen vier Gefangenenbesuche im Jahr. Als sich die Gesundheit von Chodorkowskijs Mutter Marina stark verschlechterte, übertrug sie das Besuchsrecht auf Beck.
"Liebe Freunde, ich habe mich am 12. November an den Präsidenten gewandt mit der Bitte um Gnade angesichts familiärer Umstände und freue mich über die positive Entscheidung. Die Frage eines Schuldeingeständnisses hat sich nicht gestellt. Ich möchte allen danken, die alle diese Jahre den Fall Yukos verfolgt haben, und für die Unterstützung, die sie mir, meiner Familie und allen gegeben haben, die zu Unrecht verurteilt worden sind und die immer noch verfolgt werden. Ich freue mich schon sehr auf den Moment, wenn ich meine Familie umarmen und allen meinen Freunden und Kollegen persönlich die Hand schütteln kann. Ich denke besonders an diejenigen, die weiter in Haft sitzen. Ich danke besonders Herrn Hans-Dietrich Genscher für seine persönliche Anteilnahme an meinem Schicksal. Zunächst einmal werde ich meine Schuld bei den Eltern, meiner Frau und meinen Kindern begleichen und freue mich sehr darauf, sie zu treffen. Ich warte auf die Gelegenheit, die bevorstehenden Feiertage mit der Familie zu feiern. Ich wünsche allen ein glückliches neues Jahr und frohe Weihnachten. Michail Chodorkowskij"
(Übersetzung: dpa)
"Hans-Dietrich Genscher hat heute den von Präsident Putin begnadigten Michail Chodorkowsky bei seiner Ankunft mit einem Privatflugzeug in Berlin empfangen. Genscher erklärte, er begrüße die Entscheidung des russischen Präsidenten, sie sei bedeutsam und ermutigend auch für andere Fälle. Zugleich dankte er dafür, dass Präsident Putin ihn auf seine Bitte zwei Mal empfangen habe, um über das Schicksal von Michail Chodorkowsky zu sprechen. Hans-Dietrich Genscher legt Wert auf die Feststellung dass er bei seinen Bemühungen von der Bundeskanzlerin, dem früheren Außenminister und dem deutschen Botschafter in Moskau größtmögliche Unterstützung erfahren habe. Er hat Michail Chodorkowsky in seiner Eigenschaft als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik kennengelernt und auch später noch bei verschiedenen Gelegenheiten getroffen. Die persönlichen Anwälte Chodorkowsky hatten ihn später gebeten, sie bei ihren Bemühungen um die Freilassung Chodorkowskys zu unterstützen. Er habe das aus humanitären Gründen getan." Bonn, 20. Dezember 2013