Begnadigter Kremlkritiker:Chodorkowskij in die Schweiz ausgereist

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Von der Schweiz aus will sich Michail Chodorkowskij für die Befreiung von politischen Gefangenen einsetzen. (Foto: dpa)

Der freigelassene Kremlkritiker Michail Chodorkowskij hat aus dem Berliner Hotel Adlon ausgecheckt und ist mit dem Zug in die Schweiz gereist. Dort lebt seine Familie - und dort liegen auch seine Öl-Milliarden.

Der Kremlkritiker Michail Chodorkowskij hat gut zwei Wochen nach seiner Freilassung aus russischer Haft Berlin verlassen und ist in die Schweiz gereist. Chodorkowskij sei am Sonntagabend mit einem Zug in der Schweiz eingetroffen, sagte eine Sprecherin des früheren Ölmagnaten. Er und seine Frau Inna wollten ihre Zwillingssöhne Gleb und Ilja zum Schulbeginn im neuen Jahr begleiten. Inna und die Zwillinge leben seit Längerem in der Schweiz. Die Tochter Anastasia wohnt noch in Moskau.

Die Schweiz hatte sich stets für die Freilassung Chodorkowskijs eingesetzt und Ende Dezember ein Visum für den Schengen-Raum ausgestellt, das für drei Monate gilt. Ob er sich dauerhaft dort niederlassen will, ist noch offen.

Dem Schweizer Fernsehen SRF sagte er während der Zugfahrt, dass er sich von der Schweiz aus für die Befreiung von politischen Gefangenen in Russland einsetzen wolle. "Man kann doch nicht ruhig leben, wenn man weiß, dass in Gefängnissen politische Gefangene schmoren", sagte der einst prominenteste politische Häftling Russlands nach Angaben der Schweizer Nachrichtenagentur sda.

Chodorkowskij wurde auf der Reise von seiner Frau, den Zwillingen und seiner Tochter begleitet, wie auf Bildern des SRF zu sehen war. Die Familie danke dem Land für die Möglichkeit, Zeit miteinander verbringen zu können, erklärte Chodorkowskijs Sprecherin. Er sei auch dankbar "für die klare Haltung der Schweizer Behörden während der langen Jahre seiner ungerechtfertigten Haft". Sie wies darauf hin, dass Chodorkowskij "beim privaten Besuch mit seiner Familie nicht gestört werden möchte".

Ein großer Teil des Vermögens lagert in der Schweiz

Nicht nur Frau und Kinder verbinden Chodorkowskij mit der Schweiz: Der Kremlkritiker, der als Ölunternehmer zum reichsten Mann Russlands aufgestiegen war, hat nach Berichten Schweizer Medien einen großen Teil seines Vermögens bei eidgenössischen Banken deponiert. Das Schweizer Bundesgerichts in Lausanne hatte 2004 Vermögenswerte des Russen in der Eidgenossenschaft wieder freigegeben, nachdem diese zunächst auf Antrag Moskaus blockiert worden waren.

Insgesamt waren nach Angaben der Schweizer Nachrichtenagentur sda 6,2 Milliarden Franken (5,1 Milliarden Euro) des Yukos-Konzerns bei fünf Banken eingefroren worden. Dagegen hatten Chodorkowskij und seine Yukos-Mitstreiter erfolgreich Beschwerde eingelegt. Das Bundesgericht wies den russischen Antrag in Sachen Yukos mit der Begründung zurück, der Kreml sei aus politischen Gründen gegen Chodorkowski vorgegangen.

Der 50-jährige ehemalige Ölmagnat war am 20. Dezember nach zehn Jahren Haft von Russlands Staatschef Wladimir Putin begnadigt worden und nach Berlin ausgereist. Wenige Tage später beantragte er bei der Schweizer Botschaft ein Schengen-Visum. Die Visums-Inhaber können sich in den 26 Staaten des Schengen-Abkommens bis zu 90 Tage pro Halbjahr aufhalten.

© sz.de/AFP/dpa/kfu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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