Ablösung des Verfassungsschutzchefs:Führende SPD-Politiker kritisieren Maaßens Beförderung

  • Die Beförderung Maaßens ins Innenministerium ist für viele Sozialdemokraten schwer zu ertragen.
  • Vize-Parteichef Stegner spricht von einem "Desaster", Juso-Chef Kühnert sagt, seine "Schmerzgrenze" sei erreicht, die Bayern-SPD-Vorsitzende Kohnen kritsiert Parteichefin Nahles.
  • CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer betont, die Entscheidung sei mit Zustimmung der SPD gefallen.

Die Beförderung von Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stößt bei Führungsleuten der SPD auf massive Kritik.

Parteivize Ralf Stegner bezeichnete den Wechsel des bisherigen Verfassungsschutzchefs in die Regierung als "Desaster" und sagte: "Der Geduldsfaden mit dieser großen Koalition wird in der SPD extrem dünn." Natascha Kohnen, Vorsitzende der Bayern-SPD, kritisierte die Entscheidung in einem Brief an Parteichefin Andrea Nahles ebenfalls deutlich. Der Entschluss sei "politisch nicht nachvollziehbar und nirgendwo vermittelbar". Seehofer sei als Minister "nicht mehr tragbar". Die SPD habe die Personalie Maaßen "aus zwingenden Gründen" zu einer "grundsätzlichen Frage" gemacht. Dass man nun akzeptiere, dass Maaßen mit einer noch größeren Verantwortung ausgestattet werde, dazu schrieb Kohnen: "Das versteht niemand und es ist auch nicht zu verstehen."

Da Nahles der Personalie am Dienstag bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Seehofer zugestimmt hatte, ist Kohnens Brief auch als Kritik an der Partei- und Fraktionschefin selbst zu verstehen. Kohnen, die bei der bayerischen Landtagswahl am 14. Oktober als Spitzenkandidatin antritt, fordert in ihrem Brief, dass die "SPD-Ministerinnen und -Minister und die Fraktion bei den bevorstehendenen formalen Entscheidungen in der Koalition der Personalie Maaßen nicht zustimmen".

Die SPD hatte in den vergangenen Tagen wegen grundsätzlicher Zweifel an Maaßens Eignung im Kampf gegen Rechtsextremismus verstärkt seine Ablösung als Behördenchef gefordert und mit dem Ende der großen Koalition gedroht. Auslöser war unter anderem die Äußerung Maaßens, ihm lägen "keine belastbaren Informationen" vor, dass es in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer gegeben habe. Seehofer hatte Maaßen wiederholt das Vertrauen ausgesprochen.

Am Dienstag verständigten sich Merkel, Seehofer und Nahles dann auf Maaßens Ablösung als Behördenchef und seinen Wechsel ins Bundesinnenministerium. Seehofer informierte am Mittwoch über die neuen Zuständigkeiten in seinem Ministerium. Maaßen wird demnach Staatssekretär mit dem Schwerpunkt Sicherheit. Er werde künftig für die Bundespolizei, Cyber- und Informationssicherheit und öffentliche Sicherheit zuständig sein, erklärte Seehofer, nicht jedoch für die Aufsicht über den Verfassungsschutz. Wer Maaßen beim Verfassungsschutz nachfolgen soll, blieb zunächst offen.

Kritik am Vorgehen Seehofers kommt nicht nur vom linken Flügel der SPD. Auch Generalsekretär Lars Klingbeil hält die Beförderung Maaßens für fragwürdig. "Das ist eine sehr bemerkenswerte Entscheidung", bei der es sehr viele Fragezeichen gebe, sagte er im ZDF. In der ARD wies er darauf hin, dass auch Merkel zuletzt von Maaßen abgerückt sei. "Dass Herr Seehofer Herrn Maaßen jetzt ins Ministerium holt, ist insofern auch eine Entscheidung, die man wieder auch als Kritik an der Kanzlerin sehen kann." Dennoch müsse die Koalition nun zur Sacharbeit zurückkehren: "Wir müssen endlich rauskommen aus diesem permanenten Krisenmodus."

"Preis zu hoch für den Fortbestand der Koalition"

Auch der ehemalige Parteichef Sigmar Gabriel griff Seehofer an: "Wenn Illoyalität und Unfähigkeit im Amt der neue Maßstab für Karriere sind, dann hat Horst Seehofer gute Chancen, bis zum Uno-Generalsekretär aufzusteigen", schrieb er auf Twitter. Juso-Chef Kühnert erklärte: "Meine persönliche Schmerzgrenze ist erreicht." In der ARD sagte er, für die SPD sei der "Preis zu hoch für den Fortbestand der Koalition". Der Rheinischen Post sagte er, die Beförderung Maaßens sei "ein Schlag ins Gesicht all derer, die jeden Tag in voller Konsequenz Verantwortung für sich und ihr Handeln tragen". Die Jusos in Bayern forderten die SPD auf, die große Koalition zu verlassen.

CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer wies die Kritik zurück. Schließlich sei es die SPD gewesen, die die Ablösung Maaßens zu einer Koalitionsfrage gemacht habe, sagte sie im ZDF. "Diese Frage ist heute geklärt worden, und zwar nicht nur von einer Koalitionspartei, sondern im Einvernehmen auch mit den Sozialdemokraten." Die CDU sei froh, dass diese Regierung ihre Arbeit fortsetzen könne. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster warf der SPD vor, den Streit um Maaßen ohne guten Grund auf die Spitze getrieben zu haben. Nach dieser Eskalation sei es dann aber doch hilfreich gewesen, "dass die SPD die Haltung der Union teilt und Maaßen auch weiterhin als profunden Sicherheitsexperten akzeptiert", sagte Schuster. Die Lösung sei zwar "unkonventionell", aber auch ein klares Signal der Union, "dass wir auch in schwierigen Zeiten unsere Sicherheitsbehörden nicht im Regen stehen lassen".

Schleswig-Holsteins CDU-Innenminister Hans-Joachim Grote hat den Aufstieg von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium kritisiert. Zwar liege es ihm fern, dem Bundesinnenminister Ratschläge zu erteilen, sagte Grote am Mittwoch in Kiel. Es löse bei ihm aber erhebliche Irritationen aus, wenn jemand von seinem Posten abgelöst werde und zugleich auf der Karriereleiter aufsteige. Wenn in seinem Haus eine Ablösung notwendig wäre, würde sich der Betroffene dort nicht auf einer höheren Ebene wiederfinden, sagte Grote.

Die Grünen sprachen von einem "Schmierentheater". Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Wir brauchen beim Verfassungsschutz einen Neustart und eine echte Zäsur." Als "formelhafte Scheinlösung" bezeichnete FDP-Chef Christian Lindner die Entscheidung. "Entweder man vertraut ihm oder nicht. Das Theater offenbart am Ende nur, dass die Koalition keine Linie und keine Konsequenz hat."

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