Süddeutsche Zeitung

Bundestag:Unabhängiger Beauftragter soll Polizei überwachen

Noch in diesem Jahr will die Ampelkoalition das neue Amt schaffen, das sich gegen Machtmissbrauch durch Polizeibeamte des Bundes richtet - aber auch gegen Angriffe auf sie wendet. Wer den Job bekommt, ist bereits ausgemacht.

Von Markus Balser, Berlin

Der Deutsche Bundestag will die Arbeit von Sicherheitsbehörden des Bundes mit einem neuen Posten stärker kontrollieren. Nach Angaben aus Koalitionskreisen soll der SPD-Abgeordnete Ulrich Grötsch noch in diesem Jahr der erste unabhängige Polizeibeauftragte des Bundestags werden. Seine Aufgabe soll es sein, die Arbeit von Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Zoll und Bundestagspolizei unabhängig zu überwachen.

Demnach hat sich die SPD-Fraktion, die für den Posten das Vorschlagsrecht hat, auf Grötsch geeinigt. "Ich bin mir sehr sicher, dass mein Abgeordneten-Kollege Uli Grötsch mit viel Bürgernähe in seinem Wahlkreis und auch als ehemaliger Polizist mit langer Erfahrung mit Sicherheit eine der geeignetsten Personen für dieses Amt ist", sagt Sebastian Hartmann, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion der Süddeutschen Zeitung. Grötsch selbst wollte sich am Montag nur allgemein zu dem Amt äußern. Dessen Auftrag sei es, die Polizei und diejenigen zusammenzuführen, die sich von ihr diskriminiert fühlen.

Noch laufen im Bundestag ohnehin erst die Vorbereitungen dafür, einen solchen Posten überhaupt zu schaffen. SPD, Grüne und FDP arbeiten derzeit an Eckpunkten für einen Gesetzentwurf. "Wir sind zuversichtlich, dass wir den Gesetzentwurf, der im Bundestag erarbeitet wird, noch vor der Sommerpause verabschieden werden", sagte Irene Mihalic, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen der SZ. Wird Grötsch dann vom Bundestag wie erwartet gewählt, könnte der SPD-Politiker noch in diesem Jahr mit einem kleinen Stab von Beschäftigten die Arbeit aufnehmen. In den ersten Beratungen über den Haushalt 2023 hatten die Ampel-Fraktionen bereits Geld für den Posten bewilligt.

Bürgerinnen und Beamte sollen sich an den Ombudsmann wenden können

Vor allem die Grünen hatten die Einführung eines solchen Beauftragten über Jahre vorangetrieben, weil Berichte über Machtmissbrauch von Beamten, aber auch über Angriffe auf Einsatzkräfte zugenommen hatten. An den Beauftragten sollen sich künftig sowohl Bürger als auch Polizistinnen und Polizisten wenden können. Er soll weitgehende Befugnisse bekommen, etwa Akten anfordern können und Zutrittsrecht zu Behörden haben. Als Vorbild gilt der Posten der Wehrbeauftragten des Bundes, den seit 2020 die SPD-Abgeordnete Eva Högl innehat.

Im Bundestag sieht man Schwachstellen bei der Kontrolle der Behördenarbeit. Bei den Polizeien des Bundes könne etwa ein mögliches Fehlverhalten nur im Rahmen einer Fach- oder Dienstaufsichtsbeschwerde oder im Wege einer Strafanzeige geltend gemacht werden, heißt es. Solche Verfahren seien zwar wichtig, würden aber zu selten strukturelle Defizite angehen. Probleme wie das Aufkommen rechtsextremer Chatgruppen in einzelnen Polizeidienststellen sollten zukünftig über disziplinarrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen hinaus aufgearbeitet werden, fordert die Grünen-Innenpolitikerin Mihalic. Die bislang sehr eingeschränkte parlamentarische Kontrolle der Polizei werde durch die Rolle als Hilfsorgan des Bundestages maßgeblich verbessert.

Bereits im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampelkoalition vorgenommen, das Amt in dieser Wahlperiode einzuführen. Noch immer aber wird hinter den Kulissen über die Details gerungen. Vieles sei "Gegenstand der derzeitigen Verhandlungen zur Ausgestaltung dieser Aufgabe", sagt der SPD-Abgeordnete Hartmann. "Dies betrifft Zuständigkeitsfragen bis hin zu Fragen der Amtsausstattung."

Bereits acht Bundesländer haben für ihre Landespolizeien ähnliche Beauftragte bei den Landtagen eingeführt. In Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein arbeiten sie bereits - unabhängig und weisungsfrei.

Die Vergabe des Jobs ist auch Teil eines größeren Postenkompromisses innerhalb der Ampelkoalition. Eigentlich hatten sich Grüne und SPD dem Vernehmen nach darauf geeinigt, dass der 47-jährige Polizeibeamte Grötsch nach der Hälfte der Wahlperiode den Grünen-Politiker Konstantin von Notz als Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Überwachung der Geheimdienste ablösen soll. Wegen des neuen Postens für Grötsch soll Notz sein Amt nun die gesamte Wahlperiode ausüben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5759360
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/jbb
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.