Beate Zschäpe und der NSU-Prozess:Auch das Gericht ist eine Art Gefängnis

NSU Prozess

Beate Zschäpe darf nur noch zweimal pro Monat fotografiert werden.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Warum fühlt sich die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, in letzter Zeit nicht gut? Das könnte auch an einem Kellerraum im Justizzentrum liegen.

Von Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz

Beate Zschäpe betritt den Gerichtssaal, begrüßt freundlich ihre Anwälte, holt den Laptop heraus, entrollt das Ladekabel. Es kann losgehen. Es ist nun schon der 191. Verhandlungstag im NSU-Prozess, mal geht es zügig, dann wieder nur stockend voran.

In den vergangenen Wochen sind ein paar Tage ausgefallen oder vorzeitig zu Ende gegangen, weil es der Hauptangeklagten nicht gut ging. Vorsorglich hat das Oberlandesgericht München die Zahl der Verhandlungstage bis zu den Osterferien leicht reduziert: von drei auf zwei Termine in der Woche. Bliebe das auf Dauer so, würde das den Prozess noch weiter in die Länge ziehen.

Bereits vor einigen Wochen hatten sich Zschäpes Verteidiger an das Gericht gewandt und Zweifel geäußert, ob ihre Mandantin noch lange durchhält. Sie forderten Entlastung. Das Gericht hat mittlerweile ein paar Zugeständnisse gemacht.

So dürfen Fotografen und Kameraleute nur noch zweimal im Monat Bilder von Zschäpe machen. Sie empfindet die Aufnahmen, bei denen sie sich jedes Mal von ihren Anwälten abschirmen lässt, offenbar als belastend. Es heißt, auch die genaue Personendurchsuchung an jedem Prozesstag und die schnelle Fahrt vom Gefängnis zum Gericht würden ihr zusetzen.

Der V-Mann, der kein V-Mann gewesen sein will

Trotz gegenlautender Angaben vom Verfassungsschutz hat am Mittwoch der Zeuge Marcel D. bestritten, als V-Mann tätig gewesen zu sein. Der 39-Jährige war um die Jahrtausendwende in Thüringen Chef der rechtsextremen Organisation "Blood & Honour". Dem Landesamt für Verfassungsschutz soll er damals unter dem Decknamen "Hagel" regelmäßig Informationen geliefert haben. Entsprechende Erkenntnisse bekamen auch die Untersuchungsausschüsse in Erfurt und im Bundestag. Dennoch behauptete nun Marcel D. zur Verblüffung des Richters und der Anwälte, er habe nie als Quelle für den Verfassungsschutz gearbeitet. Er muss damit rechnen, dass ein Verfahren wegen Falschaussage gegen ihn eingeleitet wird.

Als Zeuge für den NSU-Komplex ist D. interessant, weil er 1999 in einem Gespräch mit einem anderen Neonazi den Hinweis bekommen haben soll, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die 1998 untergetaucht waren, würden keine Geldspenden mehr benötigen, da sie mittlerweile "jobben" würden. Ermittler werten dies als Hinweis auf den Beginn einer Serie von Raubüberfällen, die dem NSU zugeschrieben werden.

Marcel D. sagte, er habe das Trio persönlich gar nicht gekannt. Er habe sich damals aber tatsächlich mal nach den dreien erkundigt. Es seien damals viele Gerüchte über sie im Umlauf gewesen - dass sie in Südafrika seien oder in Kroatien zum Beispiel. Tanjev Schultz

Zschäpe schweigt eisern

Die Anklage wirft Zschäpe Mittäterschaft bei zehn Morden vor. Wie sie dazu steht, wie sie damit umgeht, das ist auch nach zwei Jahren in diesem gewaltigen Verfahren nicht klar. Sie schweigt eisern.

Dass aber die Untersuchungshaft und die vielen, zähen Prozesstage ohne Tageslicht sie mitnehmen, ist offensichtlich. Zschäpes Gesicht ist ziemlich blass geworden in den vergangenen Wochen und Monaten. Und sie und ihre Verteidiger machen nicht den Eindruck, als wollten sie das Verfahren unnötig in die Länge ziehen.

Im Gericht, so könnte man glauben, sei es angenehmer als in der Zelle der Justizvollzugsanstalt Stadelheim. Aber in Wahrheit ist auch das Gericht eine Art Gefängnis. Jedes Mal, wenn Beate Zschäpe morgens zum Prozess gefahren wird, kommt sie erst mal unten im Keller an.

Pausieren im Neonlicht

Hier in den Katakomben gibt es 22 Zellen mit dunkelgrünen Türen; einige größere, in der mehrere Gefangene untergebracht werden können, und dann viele sehr kleine, enge Zellen, in denen die Angeklagten warten müssen, bis die Verhandlung beginnt. Dort sitzen sie auch in der Mittagspause und essen. Erholsam ist es hier nicht.

Auf vielleicht vier Quadratmetern sitzt man im Neonlicht. Ein langer Lichtschacht führt nach oben, aber nicht hinaus. Gelangweilte Insassen haben Papierflieger gebastelt und nach oben auf ein Gitter geworfen, einige Wände sind bekritzelt mit Graffiti.

"Die Zeit wird schon lang da drin", sagt Werner Pauly. Der Wachtmeister - genau genommen ist seine Amtsbezeichnung Justizsicherheitssekretär - meint die Insassen, nicht sich selbst. Er ist schon seit vielen Jahren im Dienst, wirkt sehr freundlich und findet seinen Beruf keineswegs öde: "Der Umgang mit diesen Leuten ist eine interessante Aufgabe. Man hat immer Abwechslung."

Diese Leute: das können störrische Zeugen sein oder prominente Angeklagte wie Beate Zschäpe, die hier an Verhandlungstagen in einer der drei für Frauen reservierten Zellen Platz nehmen muss. Hier wartet sie darauf, dass es weitergeht oben im Prozess. Ihre Anwälte haben schon mehrmals verlangt, dass ihre Mandantin in den Pausen auch mal an die frische Luft gehen darf.

Ein Bus fährt die Untersuchungsgefangenen aus dem Gefängnis direkt vor die Tür des Gerichtskellers mit den sogenannten Vorführzellen. Wer sich einmal versuchsweise dort einsperren lässt, fühlt sich sehr schnell sehr beklommen.

Ein gemauertes Krankenbett

Ein Heizkörper, ein kleiner Tisch aus dunklem, massivem Holz, der aus der Wand klappt. Brauner Boden, weiße und gelbe Kacheln. Ein Guckloch, ein kleiner Türstopper. Da ist es sogar im beengten und oft emotional aufgeheizten Gerichtssaal gemütlicher.

In einer Plastikkiste im Flur vor den Zellen liegt das aus dem Gefängnis angelieferte Essen. Man sieht eingewickelte Brote mit Käse und Salami. Wenn sich ein Gefangener schlecht fühlt, kann er in eine Krankenzelle gebracht werden.

Dort steht ein unbewegliches, gemauertes Bett. Gefangene sollen es nicht quer vor die Tür stellen und sich damit verbarrikadieren können. Es geht um die Sicherheit. Ob auch Beate Zschäpe schon mal auf diesem Krankenbett gelegen hat, will niemand verraten.

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