Beate Klarsfeld über Filbinger:"Wenn jemand stirbt, sind seine Verbrechen nicht ausgelöscht"
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Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger will im Fall Filbinger einen Schlussstrich ziehen - zur Empörung von Beate Klarsfeld, einer der prominentesten Kämpferinnen für die Aufklärung von Nazi-Verbrechen.
Bernd Oswald
Beate Klarsfeld, deutsch-französische Journalistin und Kämpferin für die Aufklärung von Nazi-Verbrechen, hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Günter Oettinger wegen dessen Grabrede auf Hans Filbinger, den früheren Ministerpräsidenten des Landes, attackiert.
"Diese Rede hätte man nicht halten dürfen. Man kann den Mann ja begraben, aber man muss nicht sagen, dass er ein guter Mann war", sagte Klarsfeld zu sueddeutsche.de.
Klarsfeld sprach sich auch klar gegen einen Schlussstrich zu der Affäre aus, wie ihn Oettinger indirekt gefordert hatte: "Wenn jemand stirbt, dann sind seine Verbrechen nicht ausgelöscht."
CDU-Politiker Oettinger hatte Filbinger bei der Trauerfeier im Freiburger Münster gegen seine Kritiker verteidigt: "Hans Filbinger war kein Nationalsozialist." Für Aufsehen hatte Oettingers Aussage gesorgt, es gebe "kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte."
Hinter dem Befehlszwang versteckt
Diese Aussage rief den Widerspruch von Beate Klarsfeld hervor: "Er wusste, wen er zum Tode verurteilt. In den letzten Kriegstagen musste man sich fragen: War das notwendig?", sagte sie sueddeutsche.de weiter. "Filbinger hätte sagen können: ich mache es nicht, ich trete zurück, dann wäre er vielleicht an der Ostfront gelandet."
Sie warf dem früheren Ministerpräsidenten vor, sich hinter dem Zwang, Befehle ausführen zu müssen, versteckt zu haben. Das gelte für den Marinerichter Filbinger ebenso wie für den früheren Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger, der als als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in der Rundfunkabteilung des Reichsaußenministeriums ein "Schreibtischtäter" gewesen sei.
Klarsfeld hatte Kiesinger auf einem CDU-Parteitag wegen dessen angeblicher Nazi-Vergangenheit eine Ohrfeige verabreicht, was weltweit für Aufsehen gesorgt hatte.
CDU bittet um Rücksicht auf Familie Filbinger
Oettingers Rede hatte bei SPD, Grünen und dem Zentralrat der Juden heftige Reaktionen hervorgerufen. Dagegen verteidigte CDU-Landtagsfraktionschef Stefan Mappus Oettingers Freiburger Rede als "eine gute, ausgewogene und dem gesamten Leben von Professor Filbinger angemessene Würdigung". Mappus bat darum, Rücksicht auf die Familie des Verstorbenen zu nehmen und die "reflexartige" Diskussion zu beenden. Oettinger selbst wollte sich am Donnerstag nicht zu den Vorwürfen äußern.
Filbinger war im Alter von 93 Jahren gestorben. Er hatte Baden- Württemberg von 1966 an regiert. 1978 trat er zurück, nachdem mehrere Todesurteile gegen Deserteure bekannt geworden waren, an denen er als NS-Marinerichter gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mitgewirkt hatte.