Süddeutsche Zeitung

Beamtin in Salzburg:Vollmacht für Exotisches

340 Millionen Euro. Soviel Geld hat eine österreichische Finanzbeamtin über Jahre mit riskanten Spekulationen verzockt. Nun wird gerätselt, wie eine Beamtin solche Summen verspielen konnte. Dabei waren solch riskante Geschäfte im Land Salzburg durchaus gewollt.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Das gemütliche Salzburg im Ausnahmezustand - das gibt es sonst eigentlich nur während der Festspiele. Derzeit aber, mitten im Winter, ist es ein Finanzskandal, der das Bundesland in wilde Aufregung versetzt hat. Die Vizechefin der Landesfinanzabteilung hat 340 Millionen Euro verspekuliert. Mal eben so. Sie ist geständig, aber wie die Katastrophe genau passieren konnte, darüber rätselt nun ganz Österreich. Zehn Jahre lang häufte die Beamtin mit Zinsgeschäften Schulden an, offenbar von keiner Kontrollinstanz gestoppt, von keiner Aufsicht überwacht.

Von Amts wegen hatte die Frau eigentlich den gegenteiligen Auftrag. Sie sollte, gedeckt durch das Landeshaushaltsgesetz, das Loch im Haushalt durch geschicktes Finanzmanagement vermindern. Enthalten in der Vollmacht waren auch hochriskante "exotische Zinsderivate". Dabei wird per Wette darauf gesetzt, dass Zinsen entweder steigen oder fallen; wenn es schiefgeht, kann ein zusätzliches Minus auflaufen. Man könnte also durchaus sagen, im Land Salzburg waren derart riskante Spekulationen gewollt.

Damit befindet man sich in bester Gesellschaft. Um möglichst viel vom Boom der Nullerjahre mitzunehmen, hatten sich auch in Deutschland Kommunen an riskanten Finanzgeschäften versucht. Viele machten hohe Kursverluste und stehen heute vor den Trümmern ihrer hochfliegenden Pläne. Nur: Meist passierte das auf Anraten von Banken, und die kommunalen Finanzmanager gingen das Risiko bewusst ein. In Salzburg liegt die Sache wohl anders. Hier bemerkte man - offiziell - erst in diesem Sommer, dass die Referatsleiterin dem Land 340 Millionen Euro an Verlusten beschert hatte. Sie hatte offenbar erste Fehlspekulationen eigenmächtig ausgleichen wollen - und machte noch mehr Verluste.

Insider wecken Zweifel an offizieller Darstellung

Finanzlandesrat David Brenner gibt sich fassungslos: "Wir müssen davon ausgehen, dass die Referatsleiterin über drei Legislaturperioden, unter drei Finanzreferenten sämtliche Kontrollinstanzen der Republik, des Landes, sämtliche Sicherheitsnetze, die die Finanzabteilung hat, getäuscht hat." Sie habe Geschäfte vertuschen wollen, für die sie keine Berechtigung hatte und die sie verschwiegen habe. Um nicht aufzufliegen, habe sie Unterschriften und Protokolle gefälscht. Offenbar habe die mittlerweile entlassene Beamtin, der nun eine Haftstrafe droht, die Verluste auf sogenannten Durchlaufkonten versteckt, die nicht regelmäßig bilanziert werden mussten - und zur Verschleierung Geschäfte mit sage und schreibe 34 Banken gemacht. Wie sie das im Detail angestellt hat, habe noch niemand so genau verstanden; man prüfe weiter.

So weit, so seltsam. Allerdings werden Zweifel an diesen Schilderungen laut. Insider berichten laut Salzburger Nachrichten, dass schon 2008 Bankmanager beim Land vorstellig geworden seien, die auf hohe Verluste hinwiesen und Positionen glattstellen wollten. Der Standard meldet, die "wilden Spekulationen" seien sogar am Finanzplatz Frankfurt Thema gewesen und die Vorgesetzten der Beamtin von Banken informiert worden. In Salzburg könnte es nun eine vorgezogene Neuwahl geben, und in Wien will man reagieren: Die Bundesregierung denkt laut über strengere Regeln für die Anlage öffentlichen Geldes nach.

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SZ vom 11.12.2012/jasch
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