Das deutsche Berufsbeamtentum ist gegen Eingriffe von außen besser geschützt als ein Atomkraftwerk: Das Grundgesetz, Artikel 33, Absatz 5, garantiert die "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums". So lange dies gilt, werden alle Ankündigungen einer grundlegenden Modernisierung des öffentlichen Dienstrechts Ankündigungen bleiben.
Da wird es dem reformbereiten SPD-Bundesinnenminister Otto Schily nicht anders ergehen als seinem CDU-Vorgänger Manfred Kanther. Die "breiteste Reform seit Jahrzehnten" hatte der vor acht Jahren versprochen; doch es gab lediglich ein paar Leistungszulagen hier, ein paar neue Prämien dort, ansonsten blieb alles beim Alten.
Der öffentliche Dienst steckt in der Krise. Die Symptome: Hoher Krankenstand, viel höher als in der Privatwirtschaft, und ein hoher Anteil an vorzeitigen Pensionierungen. Fünf Millionen Menschen arbeiten im öffentlichen Dienst in zwei Klassen und Dienstrechtssystemen - Beamte auf der einen, Angestellte und Arbeiter auf der anderen Seite.
Oft ist unklar, warum der eine seinen Job als Angestellter macht und der andere eine vergleichbare Tätigkeit als Amt versieht. Das Tarifsystem der Angestellten gehört zu den kompliziertesten der Welt. Seine Modernisierung, da sind sich fast alle Experten einig, wird nur funktionieren in Kombination mit einer Fundamentalreform des Berufsbeamtentums.
Dass sie notwendig ist, stellt unter anderem der so genannte Bull-Bericht fest: "Die deutsche öffentliche Verwaltung wird den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht", hat vor einem Jahr die nordrhein-westfälische Regierungskommission unter Vorsitz des Staatsrechtsprofessors Hans Peter Bull formuliert.
"Die Verwaltung arbeitet zu stark regel- und zu wenig ergebnisorientiert". Das war vor 200 Jahren anders, als aus Fürstendienern Staatsdiener wurden - und damit das Beamtentum entstand. Der Historiker Eberhard Weis schreibt dazu im Handbuch der Bayerischen Geschichte: "Kaum jemals dürften mit so wenigen Beamten so außerordentliche und umwälzende Leistungen vollbracht worden sein wie im Bayern der Montgelas-Zeit."
Das bayerische Justizministerium bestand trotz der Gesetzesflut in dieser Zeit aus nie mehr als 13 bis 15 Personen, niederes Personal eingerechnet.
Der bayerische Staatsminister Graf Montgelas, der von 1799 bis 1817 amtierte, hatte mit einem umfangreichen Reformprogramm die Grundlagen des modernen Verfassungsstaats geschaffen - unter anderem mit der "Staatsdienerpragmatik" von 1805, die Vorbild für alle deutschen Beamtengesetze wurde: festgelegte Besoldung mit Pensionsberechtigung, Versorgung der Hinterbliebenen als Rechtsanspruch, Sicherheit des Arbeitsplatzes.
So wurde ein nicht mehr korruptes, leistungsbereites Beamtentum geschaffen. Als aber dann die Beamten Rang und Stand hatten, fanden sie den wachsenden Einfluss von Parteien und "linken" Bewegungen, einer neuen Reformkraft also, bedrohlich.
Der Beamtenstand wurde konservativ, um nun seine Bedeutung zu konservieren. Das begann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts - und dauert bis heute an.
An Reformplänen mangelt es nicht: Nordrhein-Westfalen plant die Rückführung des Beamtentums ("Beamte in neuem Sinne") auf den Kernbereich staatlicher Tätigkeit, nämlich Finanzverwaltung, Polizei, Justiz; Lehrer sollen nicht mehr Beamte sein. Abseits der "hoheitlichen" Aufgaben soll es nur noch den "Einheitsangestellten" geben, dessen Bezahlung nicht mehr von Alter, Familienstand oder Kinderzahl abhängt.
Stattdessen ist eine Basis-Vergütung vorgesehen plus variabler leistungsbezogener Gehaltsbestandsteile. Das will auch der Deutsche Städtetag, der aber an der hohen Beamtenzahl keine Abstriche machen und insbesondere auf Beamte in den Rathäusern nicht verzichten will.
Aber schon eine solche Besoldungreform ist ohne Grundgesetzänderung nicht zu machen. Zu den hergebrachten Grundsätzen gehört nämlich auch, dass Beamte nicht leistungsgerecht bezahlt, sondern "alimentiert" werden.
Das Bundesverfassungsgericht beruft sich bei der Definition des "Hergebrachten" auf das Beamtenbild der Weimarer Republik. Die hatte aber nicht die Zeit (und die Bundesrepublik bis heute nicht die Kraft), das Beamtentum auf eine neue Grundlage zu stellen: Infolge der Entwicklung des Staates zum Servicebetrieb und der daraus resultierenden Ausweitung der Staatstätigkeit wurde das Berufsbeamtentum stattdessen kräftig ausgedehnt.
Im Bayern des 19. Jahrhunderts war im Staatsdienst nur jeder siebte ein richtiger Beamter. So könnte es nach den Reformen auch wieder sein.