Süddeutsche Zeitung

Gewalt gegen Beamte:"Höchste Zeit zum Handeln"

  • Laut einer Forsa-Studie ist jeder zweite Staatsdiener bereits Opfer eines körperlichen oder verbalen Angriffs geworden.
  • Der Bundesvorsitzende des Beamtenbundes Silberbach plädiert für umfassende Investitionen in Personal bei Polizei und Justiz.
  • Bei aller Kritik an der aktuellen Lage räumte Silberbach ein, dass auch Beamte Fehler machen würden.

Von Mauritius Kloft, Berlin

Der Deutsche Beamtenbund beklagt eine um sich greifende Verrohung in der Gesellschaft und fordert von der Politik mehr Unterstützung. "Wir müssen die Brutalisierung der Gesellschaft stoppen", sagte der Bundesvorsitzende des Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, am Dienstag in Bezug auf die zunehmende Aggressivität gegen öffentlich Beschäftigte. Laut einer Umfrage, die Silberbach vorstellte, ist jeder zweite Staatsdiener bereits Opfer eines körperlichen oder verbalen Angriffs geworden. Fast neunzig Prozent der Betroffenen wurden schon einmal beleidigt; knapp zwanzig Prozent wurden während ihrer Tätigkeit sogar geschlagen. Das Institut Forsa hatte für die Erhebung im Auftrag des Beamtenbundes mehr als 300 Beschäftigte im Öffentlichen Dienst nach ihren Erfahrungen befragt.

"Es ist höchste Zeit zum Handeln", sagte Silberbach. Er plädierte für umfassende Investitionen, insbesondere solle es mehr Geld für Personal bei Polizei und Justiz geben. Nur so könnten Angriffe oder verbale Attacken zeitnah und spürbar sanktioniert werden. Außerdem forderte Silberbach ein "bundesweites Register", in dem Übergriffe auf Bedienstete sofort vermerkt werden sollten.

Bundesvorsitzender fordert Ombudsleute in den Behörden

"Wir bekommen oft von unseren Personalräten geschildert, dass die jeweilige Behördenleitung Übergriffe auf Beamte unter den Teppich kehrt", berichtete Silberbach. Dieses Problem könne durch ein Register gelöst werden. Außerdem forderte er zusätzlich Ombudsleute in den Behörden, an die sich die Betroffenen in solchen Fällen wenden könnten. Schließlich hofft Silberbach auf eine Ausweitung der sogenannten Forderungsabtretung. Sie ermögliche es, dass der Dienstherr die Forderungen, die ein Betroffener gegenüber einem Schädiger hat, beispielsweise bei Schadenersatzansprüchen, als eigene Forderung stelle. Auf diese Weise könne der Staat zeigen, dass er die Sorgen ernst nehme und seine Beschäftigten unterstützen wolle, so Silberbach.

Bei aller Kritik an der aktuellen Lage räumte Silberbach ein, dass auch Beamte Fehler machen würden. Das liege auch daran, dass der Staat ihnen nicht ausreichend den Rücken stärke. "Leute, die sich allein gelassen fühlen, fühlen sich auch falsch verstanden und handeln falsch", sagte der DBB-Chef.

Die Gewalt gegen öffentlich Bedienstete wird längst nicht mehr nur von den Beamten selbst wahrgenommen. In einer zweiten repräsentativen Umfrage unter 2006 Befragten ließ der Beamtenbund untersuchen, inwieweit die Gesellschaft insgesamt das Phänomen wahrnehme. Das Ergebnis: Mehr als ein Viertel der Befragten berichteten von Übergriffen, die sie selbst miterlebt hätten. In den meisten Fällen waren Polizisten (73 Prozent) betroffen, gefolgt von Rettungskräften und Notärzten (58 Prozent) sowie Bus- und Bahnfahrern (42 Prozent), Feuerwehrleuten (40 Prozent) und Lehrern (36 Prozent). 83 Prozent der Befragten konstatieren eine "Verrohung der Gesellschaft".

Laut Beamtenbund geht das einher mit einer Unzufriedenheit gegenüber dem Staat. 61 Prozent der befragten Bürger halten den Staat laut Umfrage bei Themen wie Bildung, Migration und Umweltschutz für überfordert.

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SZ vom 21.08.2019/fie
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