Süddeutsche Zeitung

Beamte in der Rentendiskussion:Ruhe, Rente und Pension

Die aktuelle Debatte dreht sich um die Renten, nicht aber um die Pension. Die ist die Rente de luxe für Beamte. Zu Recht?

Heribert Prantl

Alle Menschen sind gleich, aber manche sind gleicher; in Deutschland heißen die Gleicheren Beamte. Bei ihnen nennt sich die Rente Pension, und der Unterschied besteht nicht nur in der Bezeichnung, sondern vor allem in der Höhe, den Erhöhungen und der Arbeitszeit, die einer aufwenden muss, um sodann ein auskömmliches Alterseinkommen zu erhalten. Die Pension ist eine Rente de luxe für Beamte in Ruhe. Zu Recht?

An den Diskussionen, die sich jüngst an der Anhebung der Renten um 1,1 Prozent entzündeten, war einiges bemerkenswert: Wie schnell aus einem Zuschlag von 13 Euro für den Durchschnittsrentner eine Grundsatzdebatte wurde, bei der bisweilen über die Alten und das Altern geredet wurde wie über eine Terrordrohung!

Besonders bemerkenswert war die Warnung des Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog vor einer "Rentnerdemokratie" und davor, dass "die Älteren immer mehr (werden) und alle Parteien überproportional Rücksicht auf sie (nehmen)". Am bemerkenswertesten war, worüber in der Debatte nicht geredet wurde und worüber auch Pensionär Herzog nicht sprach: über die Pensionen und über die wachsende Kluft, die sich zwischen Rentnern und Pensionären auftut.

Das durchschnittliche Alterseinkommen des Pensionärs liegt doppelt so hoch wie das des Durchschnittsrentners. Die Standardrente ist seit Mitte der neunziger Jahre nur um elf Prozent, die Standardpension aber um fast ein Drittel gestiegen. Es geht hier auch um ein Gerechtigkeitsproblem, das sich in krasser Form dann zeigt, wenn (wie in vielen Behörden) Beamte und Angestellte dieselbe Arbeit leisten, sogar im selben Zimmer sitzen - ihr Rechtsstatus, ihre Bezahlung und eben vor allem auch die Altersversorgung aber höchst verschieden sind.

Ist es also gerecht, dass es den Pensionären bedeutend besser ergeht als den Rentnern? In den Renten-Diskussionsrunden in Radio und Fernsehen und auf den Leserbriefseiten der Zeitungen meldeten sich Rentner zu Wort, die Herzogs Warnung wie folgt abwandelten: "Die Beamten in Ruhe werden immer mehr und alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf sie." Diese Warnung fand aber - im Gegensatz zu der von Herzog - wenig Gehör, wohl aus zwei Gründen: zum einen deswegen, weil sie als Neiddebatte empfunden wurde; zum anderen, weil die Zahl der Rentner zwanzigmal so hoch ist wie die der Pensionäre.

An Punkt zwei lässt sich nichts deuteln, an Punkt eins schon: Die Rentner beklagen sich weniger darüber, dass die Pensionen zu hoch, als darüber, dass die Renten zu niedrig sind. In der Tat: Die Relationen stimmen irgendwie nicht, die Unterschiede zwischen Pension und Rente sind gravierend - und zur Begründung dieser Unterschiede kann man nur zu einer Formel im Grundgesetz Zuflucht nehmen.

Sie steht in Artikel 33, Absatz 5 und mittels dieser ist das Berufsbeamtentum gegen Eingriffe besser geschützt ist als ein Atomkraftwerk: Sie garantiert die "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums". Hierzu zählen landläufig auch die guten Pensionen, deren Höhe lange als Ausgleich dafür galt, dass die Gehälter vorher eher niedriger waren als in der Privatwirtschaft.

Diese Zeiten freilich sind vorbei. Gleichwohl: Der Durchschnittspensionär erhält 2300 Euro monatlich, der Standardrentner 1176 Euro. Das hat auch damit zu tun, dass die Beamtenschaft sich anders zusammensetzt als die Rentnerschaft: Der Anteil des gehobenen und höheren Dienstes, der gut Ausgebildeten also, ist bei den Beamten ziemlich hoch. Das erklärt die Kluft zwischen Renten und Pensionen aber nur zum Teil. Bei den Beamten liegt schon die Mindestpension mit 1300 Euro viel höher als die Durchschnittsrente eines Arbeitnehmers; ein Beamter hat ja auch mit Arbeitslosigkeit nicht zu kämpfen.

Und: Die Mindestpension wird schnell erreicht, es genügen ein paar Dienstjahre, wobei Zivil- oder Wehrdienst sowie Ausbildung partiell angerechnet werden. Die Pension eines Beamten bemisst sich auch nicht, wie beim Rentner, aus einem in der gesamten Arbeitszeit errechneten Durchschnittseinkommen, sondern aus dem letzten Grundgehalt.

Und dank der Großzügigkeit des sehr beamtenfreundlichen 2. Senats des Verfassungsgerichts reicht es, dass die letzte Beförderung zwei Jahre zurückliegt, um das höhere letzte Gehalt zur Bemessungsgrundlage zu machen; der Gesetzgeber hatte eine Wartezeit von drei Jahren verlangt. Sicherlich: Kürzungen bei der Rente wurden dort und da auf die Pensionen übertragen - in Form von gedeckelten Pensionserhöhungen. Aber: Große Zumutungen waren das nicht (und Karlsruhe hat sie noch kleiner gemacht).

Man kann nicht über die Zukunft des Rentensystems diskutieren, ohne das Pensionssystem einzubeziehen. Das geschieht am besten dadurch, dass das Beamtentum auf seinen Kernbereich reduziert wird. So hat das der Staatsrechtsexperte Hans Peter Bull als Leiter einer nordrhein-westfälischen Reformkommission vorgeschlagen. Besondere Rechte und Leistungen sind also auf die Staatsbediensteten zu beschränken, deren Unabhängigkeit (wie bei Richtern) besonders wichtig ist, oder die (wie Polizisten, Soldaten, Feuerwehrleute) Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen müssen.

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Quelle:
SZ vom 14.05.2008/cag
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