Bayern:Mit Panzer und Schneepflug

Wintereinbruch in Bayern

Stillstand vermeiden: Die Räumdienste konnten bislang die meisten Bundesstraßen in Bayern freihalten – hier bei Wasserburg am Inn.

(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Alle Landkreise am Alpenrand haben den Katastrophenfall ausgerufen. Noch schaffen es die Helfer, die Straßen weitgehend offen und die Stromversorgung intakt zu halten - nur bei der Bahn hapert es gewaltig.

Von Matthias Köpf

Wann das Chaos zur Katastrophe wird, das entscheidet in Bayern der Landrat - rein rechtlich gesehen. Im Kreis Miesbach hat Wolfgang Rzehak den Katastrophenfall schon am Montag in aller Form festgestellt, auch deswegen sei man mit den Schneemengen der vergangenen Tage noch vergleichsweise gut zurechtgekommen, heißt es aus seinem Amt. Am Donnerstag zogen seine Kollegen im Berchtesgadener Land, in Traunstein und in Bad Tölz nach, am Freitag folgte Garmisch-Partenkirchen. Rosenheim blieb eine Stufe darunter und richtete eine Führungsgruppe Katastrophenschutz ein. Überall dort und auch weiter westlich im Allgäu oder nördlich in den Mittelgebirgen kämpfen die Menschen in Bayern mit den Schneemassen, doch eine echte Katastrophe im landläufigen Sinn ist bisher ausgeblieben.

Der amtlich festgestellte Katastrophenfall gibt den Landräten in einer Krisensituation ganz andere Möglichkeiten als im Alltag. Ihre Krisenstäbe können die Kontrolle über alle Einsätze an sich ziehen, sie können sich die Kosten dafür teilweise aus anderen staatlichen Kassen ersetzen lassen und die Bundeswehr um Hilfseinsätze im Inneren bitten. Bis zum Freitagnachmittag waren im südlichen Oberbayern 340 Soldaten im Einsatz, die meisten von ihnen Gebirgsjäger aus Bad Reichenhall, Bischofswiesen und Mittenwald. 300 weitere Gebirgsjäger sowie einige Sanitätssoldaten und Hubschrauberbesatzungen hielt die Bundeswehr als Ablösung oder Verstärkung in Bereitschaft. An Freiwilligen mangele es nicht, da auch viele Soldaten angesichts der Straßenverhältnisse lieber auf die Wochenendheimfahrt verzichten würden, hieß es vom Landeskommando Bayern. Ebenso wie viele Freiwillige vom Technischen Hilfswerk halfen die Soldaten vor allem, die Dächer öffentlicher Gebäude freizuräumen. Freiwillige Feuerwehren und Rotkreuzhelfer aus weniger betroffenen Landstrichen rückten ebenfalls zur Unterstützung Richtung Alpenrand aus.

Auf den meisten größeren Straßen stand der Verkehr trotz starker Behinderungen bisher nur selten ganz still. Auf der A 8 zwischen Salzburg und München indes mussten in der Nacht auf Freitag nach einigen Unfällen viele Autofahrer mehrere Stunden im Stau verbringen. Die meisten Bundes- und Staatsstraßen konnten die Straßenmeistereien nach größeren Schneefällen vergleichsweise zügig frei machen. Nur einzelne Durchgangsstraßen in den Bergen mussten die praktisch rund um die Uhr arbeitenden Räumdienste in den vergangenen Tagen komplett aufgeben - auch weil Bäume unter der Schneelast auf die Fahrbahnen zu stürzen drohten. Im Berchtesgadener Ortsteil Buchenhöhe am Obersalzberg, wo seit einigen Tagen 350 Menschen eingeschlossen sind, hat die Bundeswehr die Versorgung mithilfe von Kettenfahrzeugen übernommen, deren Panzerung auch fallenden Fichten standhalten sollte. In der Jachenau, einem abgelegenen Gebirgstal südlich von Bad Tölz, brachte die Feuerwehr Lebensmittel in den Dorfladen. Auch andernorts kämpften sich nur noch Feuerwehren und die Bergwacht über Neben- und Bergstrecken, die für den normalen Verkehr gesperrt blieben. Auch deswegen mussten immer wieder Weiler oder Gehöfte als von der Außenwelt abgeschlossen gelten.

Bei der Stromversorgung beschränkten sich die Ausfälle bisher ebenfalls auf kleinere Gebiete und kürzere Phasen. Meist rissen umstürzende Bäume die Stromkabel mit sich, denn im Flächenland Bayern sind nach Angaben des wichtigsten Netzbetreibers Bayernwerk vor allem in ländlichen Gebieten wie am Alpenrand noch immer mehr als zwei Drittel aller Kabel nicht im Boden verlegt, sondern laufen als Freileitung über Masten. Die mobilen Reparaturteams hätten die Schäden bisher meist schnell beheben können. Oft wurden einzelne Leitungen auch von einer Automatik vom Netz genommen, die auf eine Vereisung der Kabel reagiert. In einem solchen Fall nahe Schneizlreuth im Berchtesgadener Land dauerte es wegen blockierter Straßen und Wege allerdings Stunden, bis sich ein Mitarbeiter des lokalen Stromversorgers auf Tourenskiern zur entsprechenden Stelle vorgearbeitet hatte, um die Leitung zu prüfen und wieder freizugeben.

Der bisher größte Stromausfall betraf mehrere Tausend Haushalte im Landkreis Traunstein. Dort hatten sich zwei Kabel einer Hochspannungsleitung wegen starker Sturmböen von ihrem hohen Gittermast gelöst. Netzbetreiber Bayernwerk kündigte am Freitag Patrouillenflüge mit dem Hubschrauber an. Auch Stromkabel mit dem Wind des Rotors vom Schnee frei zu blasen, wie es am Freitag unter anderem an Bäumen entlang der A 8 praktiziert wurde, sei jedoch bisher nicht nötig gewesen.

Vor dem Winter kapituliert haben bisher vielerorts vor allem die Deutsche Bahn und deren Netztochter DB Netz AG. Sie schafft es trotz des Einsatzes aller verfügbaren Spezialfahrzeuge nicht mehr, alle ihre Strecken von Schnee und umgestürzten Bäumen freizuräumen. Sie konzentriert sich nach eigenen Angaben inzwischen auf die wichtigsten Verbindungen und hat den Betrieb mehrerer Nebenstrecken vorerst komplett eingestellt. Dies betrifft auch Konkurrenten wie die Bayerische Oberlandbahn, die auf Gleisen der DB unterwegs ist. Kritiker wie der Fahrgastverband Pro Bahn führen diese Probleme auch auf fehlende Ausrüstung und zu wenig Personal bei der DB zurück.

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